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KÄSTNER, Erich


Abendlied des Kammervirtuosen



Du meine neunte letzte Sinfonie!

Wenn du das Hemd anhast mit rosa Streifen...

Komm wie ein Cello zwischen meine Knie,

Und lass mich zart in deine Seiten greifen.


Laß mich in deinen Partituren blättern.

(Sie sind voll Händel, Graun und Tremolo) -

Ich möchte dich in alle Winde schmettern,

Du meiner Sehnsucht dreigestrichnes Oh!


Komm lass uns durch Oktavengänge schreiten!

(Das Furioso, bitte, noch einmal!)

Darf ich dich mit der linken Hand begleiten?

Doch beim Crescendo etwas mehr Pedal!!


Oh deine Klangfigur! Oh die Akkorde!

Und der Synkopen rhythmischer Kontrast!

Nun senkst du deine Lider ohne Worte...

Sag einen Ton, falls du noch Töne hast!


Das letzte Kapitel


Am 12. Juli des Jahres 2003

lief folgender Funkspruch rund um die Erde:

daß ein Bombengeschwader der Luftpolizei

die gesamte Menschheit ausrotten werde.


Die Weltregierung, so wurde erklärt, stelle fest,

daß der Plan, endgültig Frieden zu stiften,

sich gar nicht anders verwirklichen läßt,

als alle Beteiligten zu vergiften.


Zu fliehen, wurde erklärt, habe keinen Zweck.

Nicht eine Seele dürfe am Leben bleiben.

Das neue Giftgas krieche in jedes Versteck.

Man habe nicht einmal nötig, sich selbst zu entleiben.


Am 13. Juli flogen von Boston eintausend

mit Gas und Bazillen beladene Flugzeuge fort

und vollbrachten, rund um den Globus sausend,

den von der Weltregierung befohlenen Mord.


Die Menschen krochen winselnd unter die Betten.

Sie stürzten in ihre Keller und in den Wald.

Das Gift hing gelb wie Wolken über den Städten.

Millionen Leichen lagen auf dem Asphalt.


Jeder dachte, er könne dem Tod entgehen.

Keiner entging dem Tod, und die Welt wurde leer.

Das Gift war überall. Es schlich wie auf Zehen.

Es lief die Wüsten entlang. Und es schwamm übers Meer.


Die Menschen lagen gebündelt wie faulende Garben.

Andre hingen wie Puppen zum Fenster heraus.

Die Tiere im Zoo schrien schrecklich, bevor sie starben.

Und langsam löschten die großen Hochöfen aus.


Dampfer schwankten im Meer, beladen mit Toten.

Und weder Weinen noch Lachen war mehr auf der Welt.

Die Flugzeuge irrten, mit tausend toten Piloten,

unter dem Himmel und sanken brennend ins Feld.


Jetzt hatte die Menschheit endlich erreicht, was sie wollte.

Zwar war die Methode nicht ausgesprochen human.

Die Erde war aber endlich still und zufrieden und rollte,

völlig beruhigt, ihre bekannte elliptische Bahn.



Entwicklung der Menschheit


Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,

behaart und mit böser Visage.

Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt

und die Welt asphaltiert und aufgestockt,

bis zur dreißigsten Etage.


Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,

in zentralgeheizten Räumen.

Da sitzen sie nun am Telefon.

Und es herrscht noch genau derselbe Ton

wie seinerzeit auf den Bäumen.


Sie hören weit. Sie sehen fern.

Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.

Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.

Die Erde ist ein gebildeter Stern

mit sehr viel Wasserspülung.


Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.

Sie jagen und züchten Mikroben.

Sie versehn die Natur mit allem Komfort.

Sie fliegen steil in den Himmel empor

und bleiben zwei Wochen oben.


Was ihre Verdauung übrigläßt,

das verarbeiten sie zu Watte.

Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.

Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,

daß Cäsar Plattfüße hatte.


So haben sie mit dem Kopf und dem Mund

Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.

Doch davon mal abgesehen und

bei Lichte betrachtet sind sie im Grund

noch immer die alten Affen.


Ein alter Mann geht vorüber


Ich war einmal ein Kind. Genau wie ihr.

Ich war ein Mann. Und jetzt bin ich ein Greis.

Die Zeit verging. Ich bin noch immer hier

Und möchte gern vergessen, was ich weiß.

Ich war ein Kind. Ein Mann. Nun bin ich mürbe.

Wer lange lebt, hat eines Tags genug.

Ich hätte nichts dagegen, wenn ich stürbe.

Ich bin so müde. Andre nennen's klug.


Ach, ich sah manches Stück im Welttheater.

Ich war einmal ein Kind, wie ihr es seid.

Ich war einmal ein Mann. Ein Freund. Ein Vater.

Und meistens war es schade um die Zeit...

Ich könnte euch verschiedenes erzählen,

Was nicht in euren Lesebüchern steht.

Geschichten, welche im Geschichtsbuch fehlen,

Sind immer die, um die sich alles dreht.

Wir hatten Krieg. Wir sahen, wie er war.

Wir litten Not und sah'n, wie sie entstand.

Die großen Lügen wurden offenbar.

Ich hab' ein paar der Lügner gut gekannt.


Ja, ich sah manches Stück im Welttheater.

Ums Eintrittsgeld tut's mir noch heute leid.

Ich war ein Kind. Ein Mann. Ein Freund. Ein Vater.

Und meistens war es schade um die Zeit...


Wir hofften. Doch die Hoffnung war vermessen.

Und die Vernunft blieb wie ein Stern entfernt.

Die nach uns kamen, hatten schnell vergessen.

Die nach uns kamen, hatten nichts gelernt.

Sie hatten Krieg. Sie sahen, wie er war.

Sie litten Not und sah'n, wie sie entstand.

Die großen Lügen wurden offenbar.

Die großen Lügen werden nie erkannt.


Und nun kommt ihr. Ich kann euch nichts vererben:

Macht, was ihr wollt. Doch merkt euch dieses Wort:

Vernunft muß sich ein jeder selbst erwerben,

Und nur die Dummheit pflanzt sich gratis fort.

Die Welt besteht aus Neid. Und Streit. Und Leid.

Und meistens ist es schade um die Zeit.



Warnung vor Selbstmord

Diesen Rat will ich dir geben:

Wenn du zur Pistole greiftst

und den Kopf hinhältst und kneifst,

kannst du was von mir erleben.


Weißt wohl wieder mal geläufig,

was die Professoren lehren?

Daß die Guten selten wären

und die Schweinehunde häufig?


Ist die Walze wieder dran,

daß es Arme gibt und Reiche?

Mensch, ich böte deiner Leiche

noch im Sarge Prügel an!


Laß doch deine Neuigkeiten!

Laß doch diesen alten Mist!

Daß die Welt zum Schießen ist,

Wird kein Konfirmand bestreiten.


War dein Plan nicht: irgendwie

alle Menschen gut zu machen?

Morgen wirst du drüber lachen.

Aber, bessern kann man sie.


Ja die Bösen und Beschränkten

sind die Meisten und die Stärkern.

Aber spiel nicht den Gekränkten.

Bleib am Leben, sie zu ärgern!



Chor der Fräuleins


Wir hämmern auf die Schreibmaschinen.

Das ist genau, als spielten wir Klavier.

Wer Geld besitzt, braucht keines zu verdienen.

Wir haben keins. Drum hämmern wir.


Wir winden keine Jungfernkränze mehr.

Wir überwanden sie mit viel Vergnügen.

Zwar gibt es Herrn, die stört das sehr.

Die müssen wir belügen.


Zweimal pro Woche wird die Nacht

Mit Liebelei und heißem Mund

Als wär man Mann und Frau, verbracht.

Das ist so schön! und außerdem gesund.


Es wär nicht besser, wenn es anders wäre.

Uns braucht kein innrer Missionar zu retten!

Wer murmelt düster von verlorner Ehre?

Seid nur so treu wie wir, in euren Betten!


Nur wenn wir Kinder sehn, die lustig spielen

Und Bälle fangen mit Geschrei

Und weinen, wenn sie auf die Nase fielen –

Dann sind wir traurig. Doch das geht vorbei.


Besuch vom Lande

Sie stehen verstört am Potsdamer Platz.

Und finden Berlin zu laut.

Die Nacht glüht auf Kilowatts.

Ein Fräulein sagt heiser: "Komm mit, mein Schatz!"

Und zeigt entsetzlich viel Haut.


Sie wissen vor Staunen nicht aus nicht ein.

Stehen und wundern sich bloß.

Die Bahnen rasseln. Die Autos schrein.

Sie möchten am liebsten zu Hause sein.

Und finden Berlin zu groß.


Es klingt, als ob die Großstadt stöhnt,

weil irgendwer sie schilt.

Die Häuser funkeln. Die U-Bahn dröhnt.

Sie sind das alles so gar nicht gewöhnt.

Und finden Berlin zu wild.


Sie machen vor Angst die Beine krumm,

Und machen alles verkehrt.

Sie lächeln bestürzt. Und sie warten dumm.

Und stehn auf dem Potsdamer Platz herum,

bis man sie überfährt.


Wo bleibt das Positive, Herr Kästner  ?

Und immer wieder schickt ihr mir Briefe,

in denen ihr, dick unterstrichen, schreibt:

»Herr Kästner, wo bleibt das Positive?«

Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt.


Noch immer räumt ihr dem Guten und Schönen

den leeren Platz überm Sofa ein.

Ihr wollt euch noch immer nicht dran gewöhnen,

gescheit und trotzdem tapfer zu sein.


Ihr braucht schon wieder mal Vaseline,

mit der ihr das trockene Brot beschmiert.

Ihr sagt schon wieder, mit gläubiger Miene:

»Der siebente Himmel wird frisch tapeziert!«


Ihr streut euch Zucker über die Schmerzen

und denkt, unter Zucker verschwänden sie.

Ihr baut schon wieder Balkons vor die Herzen

und nehmt die strampelnde Seele aufs Knie.


Die Spezies Mensch ging aus dem Leime

und mit ihr Haus und Staat und Welt.

Ihr wünscht, daß ich's hübsch zusammenreime,

und denkt, daß es dann zusammenhält?


Ich will nicht schwindeln. Ich werde nicht schwindeln.

Die Zeit ist schwarz, ich mach euch nichts weis.

Es gibt genug Lieferanten von Windeln.

Und manche liefern zum Selbstkostenpreis.


Habt Sonne in sämtlichen Körperteilen

und wickelt die Sorgen in Seidenpapier!

Doch tut es rasch. Ihr müßt euch beeilen.

Sonst werden die Sorgen größer als ihr.


Die Zeit liegt im Sterben. Bald wird sie begraben.

Im Osten zimmern sie schon den Sarg.

Ihr möchtet gern euren Spaß dran haben ...?

Ein Friedhof ist kein Lunapark.



Der Herr ohne Gedächtnis

Er griff dem Leben in die Taschen

und trieb mit Tod und Teufel Spaß.

Sein Maul war (bildlich) ungewaschen.

Er trank aus ziemlich allen Flaschen

und nahm bei Nacht den Sternen Maß.

Er stand auf dem Balkon des Jahres,

sah Scheußliches und Wunderbares,

und er vergaß.


Er kannte mehr als tausend Damen.

Die zeigten ihm ihr Herz en farce.

Er spielte mit in tausend Dramen.

Er reiste unter tausend Namen

und sah durch Wände durch wie Glas.

Er lebte oft von Überresten.

Er wohnte manchmal in Palästen.

Und er vergaß.


Er war Friseur. Und Kohlenträger.

Er wurde krank. Und er genas.

Er schoß am Kongo Bettvorleger

und am Isonzo Alpenjäger

und boß beinhahe selbst ins Gras.

Er fuhr auf Dampfern, die zerbrachen.

Er hustete in allen Sprachen.

Und er vergaß.


Und wenn sie ihn mit Blicken maßen,

in denen leichtes Grauen saß,

floh er auf Inseln mit Oasen.

Zu Menschen, welche Menschen fraßen,

indes er aus der Bibel las.

Oft reicht die Trauer nur für Späße ...

Er hoffte, Daß man ihn vergäße,

wie er die anderen vergaß.

Und so geschah´s.



Traurigkeit, die jeder kennt

Man weiß von vornherein, wie es verläuft.

Vor morgen früh wird man bestimmt nicht munter.

Und wenn man sich auch noch so sehr besäuft:

Die Bitterkeit, die spült man nicht hinunter.


Die Trauer kommt und geht ganz ohne Grund.

Und angefüllt ist man mit nichts als Leere.

Man ist nicht krank. Und ist auch nicht gesund.

Es ist, als ob die Seele unwohl wäre.


Man will allein sein. Und auch wieder nicht.

Man hebt die Hand und möchte sich verprügeln.

Vorm Spiegel denkt man: ,Das ist dein Gesicht?.

Ach, solche Falten kann kein Schneider bügeln!


Vielleicht hat man sich das Gemüt verrenkt?

Die Sterne ähneln plötzlich Sommersprossen.

Man ist nicht krank. Man fühlt sich nur gekränkt.

Und hält, was es auch sei, für ausgeschlossen.


Man möchte fort und findet kein Versteck.

Es wäre denn, man ließe sich begraben.

Wohin man blickt, entsteht ein dunkler Fleck.

Man möchte tot sein. Oder Gründe haben.


Man weiß, die Trauer ist sehr bald behoben.

Sie schwand noch jedes Mal, so oft sie kam.

Mal ist man unten, und mal ist man oben.

Die Seelen werden immer wieder zahm.


Der eine nickt und sagt: »So ist das Leben.«

Der andre schüttelt seinen Kopf und weint.

Wer traurig ist, sei's ohne Widerstreben!

Soll das ein Trost sein? So war's nicht gemeint.


Misanthropologie

Schöne Dinge gibt es dutzendfach.

Aber keines ist so schön wie diese:

eine ausgesprochen grüne Wiese

und ein paar Meter veilchenblauer Bach.

Und man kneift sich. Doch das ist kein Traum.

Mit der edlen Absicht, sich zu läutern,

kniet man zwischen Blumen, Gras und Kräutern.

Und der Bach schlägt einen Purzelbaum.

Also das, denkt man, ist die Natur?

Man beschließt, in Anbetracht des Schönen,

mit der Welt sich endlich zu versöhnen.

Und ist froh, dass man ins Grüne fuhr.

Doch man bleibt nicht lange so naiv.

Plötzlich tauchen Menschen auf und schreien.

Und schon wieder ist die Welt zum Speien.

Und das Gras legt sich vor Abscheu schief.

Eben war die Landschaft noch so stumm.

Und der Wiesenteppich war so samten.

Und schon trampeln diese gottverdammten

Menschen wie in Sauerkraut herum.

Und man kommt, geschult durch das Erlebnis,

wieder mal zu folgendem Ergebnis:

Diese Menschheit ist nichts weiter als

eine Hautkrankheit das Erdenballs.


Kennst Du das Land

Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?

Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!

Dort stehn die Prokuristen stolz und kühn

in den Büros, als wären es Kasernen.

Dort wachsen unterm Schlips Gefreitenknöpfe.

Und unsichtbare Helme trägt man dort.

Gesichter hat man dort, doch keine Köpfe.

Und wer zu Bett geht, pflanzt sich auch schon fort!

Wenn dort ein Vorgesetzter etwas will

- und es ist sein Beruf etwas zu wollen -

steht der Verstand erst stramm und zweitens still.

Die Augen rechts! Und mit dem Rückgrat rollen!

Die Kinder kommen dort mit kleinen Sporen

und mit gezognem Scheitel auf die Welt.

Dort wird man nicht als Zivilist geboren.

Dort wird befördert, wer die Schnauze hält.

Kennst Du das Land? Es könnte glücklich sein.

Es könnte glücklich sein und glücklich machen?

Dort gibt es Äcker, Kohle, Stahl und Stein

und Fleiß und Kraft und andre schöne Sachen.

Selbst Geist und Güte gibt´s dort dann und wann!

Und wahres Heldentum. Doch nicht bei vielen.

Dort steckt ein Kind in jedem zweiten Mann.

Das will mit Bleisoldaten spielen.

Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie grün.

Was man auch baut - es werden stets Kasernen.

Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?

Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!


Vornehme Leute, 1.200 Meter hoch


Sie sitzen in den Grandhotels.

Ringsrum sind Eis und Schnee.

Ringsrum sind Berg und Wald und Fels.

Sie sitzen in den Grandhotels

und trinken immer Tee.

Sie haben ihren Smoking an.

Im Walde klirrt der Frost.

Ein kleines Reh hüpft durch den Tann.

Sie haben ihren Smoking an

und lauern auf die Post.


Sie tanzen Blues im Blauen Saal,

wobei es draußen schneit.

Es blitzt und donnert manches Mal.

Sie tanzen Blues im Blauen Saal

und haben keine Zeit.


Sie schwärmen sehr für die Natur

und heben den Verkehr.

Sie schwärmen sehr für die Natur

und kennen die Umgebung nur

von Ansichtskarten her.


Sie sitzen in den Grandhotels

und sprechen viel von Sport.

Und einmal treten sie, im Pelz,

sogar vors Tor der Grandhotels -

und fahren wieder fort.



Sachliche Romanze


Als sie einander acht Jahre kannten

(und man darf sagen: sie kannten sich gut),

kam ihre Liebe plötzlich abhanden.

Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.


Sie waren traurig, betrugen sich heiter,

versuchten Küsse, als ob nichts sei,

und sahen sich an und wußten nicht weiter.

Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.


Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.

Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier

und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken.

Nebenan übte ein Mensch Klavier.


Sie gingen ins kleinste Cafe am Ort

und rührten in ihren Tassen.

Am Abend saßen sie immer noch dort.

Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort

und konnten es einfach nicht fassen.


Wiegenlied


Schlaf ein, mein Kind! Schlaf ein, mein Kind!

Man hält uns für Verwandte.

Doch ob wir es auch wirklich sind?

Ich weiß es nicht. Schlaf ein, mein Kind!

Mama ist bei der Tante...


Schlaf ein, mein Kind! Sei still! Schlaf ein!

Man kann nichts Klügres machen.

Ich bin so groß. Du bist so klein.

Wer schlafen kann, darf glücklich sein.

Wer schlafen darf, kann lachen.


Nachts liegt man neben einer Frau,

die sagt: Laß mich in Ruhe.

Sie liebt mich nicht. Sie ist so schlau.

Sie hext mir meine Haare grau.

Wer weiß, was ich noch tue.


Schlaf ein, mein Kind! Mein Kindchen, schlaf!

Du hast nichts zu versäumen.

Man träumt vielleicht, man wär ein Graf.

Man träumt vielleicht, die Frau wär brav.

Es ist so schön, zu träumen...


Man schuftet, liebt und lebt und frißt

und kann sich nicht erklären,

wozu das alles nötig ist!

Sie sagt, dass du mir ähnlich bist.

Mag sich zum Teufel scheren!


Der hat es gut, den man nicht weckt.

Wer tot ist, schläft am längsten.

Wer weiß, wo deine Mutter steckt!

Sei ruhig. Hab ich dich erschreckt?

Ich wollte dich nicht ängsten.


Vergiß den Mond! Schlaf ein, mein Kind!

Und laß die Sterne scheinen.

Vergiß auch mich! Vergiß den Wind!

Nun gute Nacht! Schlaf ein, mein Kind!

Und, bitte, laß das Weinen...