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BLASS, Ernst


In einer fremden Stadt

Ich bin in eine fremde Stadt verschlagen.

Die Straßen stehn mit Häusern. Weißer Himmel,

Auf dem im Winde dünne Wolken ziehn.


Im Abend: Rufe, Pfiffe, Bahngebimmel.

In einem Cafe würden Melodien

Mir heute die Begrüßung doch versagen.


Ein Kellner käme fremd, was ich befehle:

Vielleicht war wieder Angst in meiner Kehle.


Ich gehe matt, zerschlagen hin auf realen Wegen.

Menschen kommen mir abendlich entgegen.


Pfiffe hör ich, Rufe, wie im Traum.

Ich spüre meine alte Angst noch kaum.


Ich werde schlafen gehn, daß mich nichts wieder quäle.

Ich kenne hier ja keine Menschenseele.


Der Nervenschwache


Mit einer Stirn, die Traum und Angst zerfraßen,

Mit einem Körper, der verzweifelt hängt

An einem Seile, das ein Teufel schwenkt,

- So läuft er durch die langen Großstadtstraßen.


Verschweinte Kerle, die die Straße kehren,

Verkohlen ihn; schon gröhlt er arienhaft:

"Ja, ja - ja, ja! Die Leute haben Kraft!

Mir wird ja nie, ja nie ein Weib gebären


Mir je ein Kind!" Der Mond liegt wie ein Schleim

Auf ungeheuer nachtendem Velours.

Die Sterne zucken zart wie Embryos

An einer unsichtbaren Nabelschnur.


Die Dirnen züngeln im geschlossnen Munde,

Die Dirnen, die ihn welkend weich umwerben.

Ihn ängsten Darmverschlingung, Schmerzen, Sterben,

Zuhältermesser und die großen Hunde.



Die Trennung


Als wir uns trennten, fingst du an zu weinen.

Du süßes Mädchen! Tränen und Geleit ...

Ich schwenkte aus dem Zuge langsam meinen

Strohhut nach dir, die blieb, in rotem Kleid.


Es wird schon dunkel. Dörfer, Wälder, Reise ...

Schmerzlich und klanglos ging die Zeit vorbei.

Liebte ich dich? Du warst mir einerlei.

Beim Kaffeetrinken weinte ich noch leise.


Viel Stunden kann noch unser Leben währen

Mit Krampf, Musike, mancher Einsamkeit.

Meist aber füllen einen die Miseren

Und Späße aus, und so vergeht die Zeit.


Grau ist der Abend in der Eisenbahn.

Ich gehe nach dem Speisewagen, essen,

Ich habe Angst: wir werden uns vergessen,

Erblindet, eh wir je uns wiedersahn.



Zwiegesang - II.
…..
Dein Aug' ist wie der Mond auf meinen Wellen,

Geliebt ein Herrscher über Ebb' und Flut.

Ich fühle mächtig meine Kräfte schwellen,

Und strömend find' ich mich gesund und gut.


Befreiung rauscht in mir aus allen Quellen

In Atem, Träne, Blickeslust und Blut.

Was klug verwahrt lag an geschützten Stellen,

Wirft selig sich in die ersehnte Glut.


Die abgeschlossenen Zellen sind nun offen,

Das Tor sprang auf: da ist der bunte Weg,

Auf dem du gehst. Nun darf ich alles hoffen.


Und überströmt bin ich von Glück und leg'

Das Haupt sanft auf die jugendliche Au:

Da leuchtet über mir des Himmels Blau
…..


An Gladys

O du, mein holder Abendstern ...
Richard Wagner

So seltsam bin ich, der die Nacht durchgeht,
Den schwarzen Hut auf meinem Dichterhaupt.
Die Straßen komme ich entlang geweht.
Mit weichem Glücke bin ich ganz belaubt.

Es ist halb eins, das ist ja noch nicht spät...
Laternen schlummern süß und schneebestaubt.
Ach, wenn jetzt nur kein Weib an mich gerät
Mit Worten, schnöde, roh und unerlaubt!

Die Straßen komme ich entlang geweht,
Die Lichter scheinen sanft aus mir zu saugen,
Was mich vorhin noch von den Menschen trennte;

So seltsam bin ich, der die Nacht durchgeht...
Freundin, wenn ich jetzt dir begegnen könnte,
Ich bin so sanft, mit meinen blauen Augen


Nachts

Auf des Daseins geschwungener Brücke,

Gehen wir Tag für Tag unseren Gang.

Auf des Daseins geschwungener Brücke,

Sind wir begleitet von langsamem Sang.

Wolken sind oben und Wellen sind unten.

Sterne brennen in endloser Zahl.

Sommer erscheinen mit ihren bunten

Dörfern und Wiesen. Die Winter sind fahl.

Menschen kommen und haben Gesichter,

Und sie reden laut und belebt.

Manche sind Freunde und manche sind Richter.

Und in der Erde ist einer und gräbt.

Auf des Daseins geschwungener Brücke,

Höre ich dann und wann so ein Lied,

Kann nicht recht vorwärts und kann nicht zurücke,

Doch ich fühle, daß alles geschieht.