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HÖLDERLIN, Friedrich


Ehmals und jetzt


Ehmals und jetzt

In jüngern Tagen war ich des Morgens froh,

Des Abends weint ich; jetzt, da ich älter bin,

Beginn ich zweifelnd meinen Tag, doch

Heilig und heiter ist mir sein Ende.



Germanien

…..
O nenne, Tochter du der heiligen Erd,

Einmal die Mutter. Es rauschen die Wasser am Fels

Und Wetter im Wald und bei dem Namen derselben

Tönt auf aus alter Zeit Vergangengöttliches wieder.

Wie anders ists! und rechthin glänzt und spricht

Zukünftiges auch erfreulich aus den Fernen.

Doch in der Mitte der Zeit

Lebt ruhig mit geweihter

Jungfräulicher Erde der Aether

Und gerne, zur Erinnerung, sind,

Die unbedürftigen, sie

Gastfreundlich bei den unbedürftgen,

Bei deinen Feiertagen,

Germania, wo du Priesterin bist

Und wehrlos Rat gibst rings

Den Königen und den Völkern.


An die Parzen

Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!

Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,

Daß williger mein Herz, vom süßen

Spiele gesättiget, dann mir sterbe.


Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht

Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;

Doch ist mir einst das Heil’ge, das am

Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen,


Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!

Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel

Mich nicht hinab geleitet; Einmal

Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.


Die Heimat


Froh kehrt der Schiffer heim an den stillen Strom,

Von Inseln fernher, wenn er geerntet hat;

So käm auch ich zur Heimat, hätt ich

Güter so viele, wie Leid, geerntet.


Ihr teuern Ufer, die mich erzogen einst,

Stillt ihr der Liebe Leiden, versprecht ihr mir,

Ihr Wälder meiner Jugend, wenn ich

Komme, die Ruhe noch einmal wieder?


Am kühlen Bache, wo ich der Wellen Spiel,

Am Strome, wo ich gleiten die Schiffe sah,

Dort bin ich bald; euch traute Berge,

Die mich behüteten einst, der Heimat


Verehrte sichre Grenzen, der Mutter Haus

Und liebender Geschwister Umarmungen

Begrüß ich bald und ihr umschließt mich,

Daß, wie in Banden, das Herz mir heile,


Ihr treugebliebnen! aber ich weiß, ich weiß,

Der Liebe Leid, dies heilet so bald mir nicht,

Dies singt kein Wiegensang, den tröstend

Sterbliche singen, mir aus dem Busen.


Denn sie, die uns das himmlische Feuer leihn,

Die Götter schenken heiliges Leid uns auch,

Drum bleibe dies. Ein Sohn der Erde

Schein ich; zu lieben gemacht, zu leiden.


Die Eichbäume


Aus den Gärten komm’ ich zu euch, ihr Söhne des Berges!

Aus den Gärten, da lebt die Natur geduldig und häuslich,

Pflegend und wieder gepflegt mit dem fleißigen Menschen zusammen.

Aber ihr, Ihr Herrlichen! steht, wie ein Volk von Titanen

In der zahmeren Welt und gehört nur euch und dem Himmel,

Der euch nährt’ und erzog und der Erde, die euch geboren.

Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen,

Und ihr drängt euch fröhlich und frei, aus der kräftigen Wurzel,

Unter einander herauf und ergreift, wie der Adler die Beute,

Mit gewaltigem Arme den Raum, und gegen die Wolken

Ist euch heiter und groß die sonnige Krone gerichtet.

Eine Welt ist jeder von euch, wie die Sterne des Himmels

Lebt ihr, jeder ein Gott, in freiem Bunde zusammen.

Könnt’ ich die Knechtschaft nur erdulden, ich neidete nimmer

Diesen Wald und schmiegte mich gern ans gesellige Leben.

Fesselte nur nicht mehr ans gesellige Leben das Herz mich,

Das von Liebe nicht läßt, wie gern würd’ ich unter euch wohnen!


Hyperions Schicksalslied

Ihr wandelt droben im Licht

Auf weichem Boden, selige Genien!

Glänzende Götterlüfte

Rühren Euch leicht,

Wie die Finger der Künstlerin

Heilige Saiten.


Schicksallos, wie der schlafende

Säugling, atmen die Himmlischen;

Keusch bewahrt

In bescheidner Knospe

Blühet ewigIhnen der Geist,

Und die seligen Augen

Blicken in stiller,Ewiger Klarheit.


Doch uns ist gegeben

Auf keiner Stätte zu ruhn;

Es schwinden, es fallen

Die leidenden Menschen

Blindlings von einer

Stunde zur andern,

Wie Wasser von Klippe

Zu Klippe geworfen,

Jahrlang ins Ungewisse hinab.


Der gefesselte Strom


Was schläfst und träumst du, Jüngling, gehüllt in dich,

Und säumst am kalten Ufer, Geduldiger,

Und achtest nicht des Ursprungs, du, des

Ozeans Sohn, des Titanenfreundes!


Die Liebesboten, welche der Vater schickt,

Kennst du die lebenatmenden Lüfte nicht?

Und trifft das Wort dich nicht, das hell von

Oben der wachende Gott dir sendet?


Schon tönt, schon tönt es ihm in der Brust, es quillt,

Wie, da er noch im Schoße der Felsen spielt',

Ihm auf, und nun gedenkt er seiner

Kraft, der Gewaltige, nun, nun eilt er,


Der Zauderer, er spottet der Fesseln nun,

Und nimmt und bricht und wirft die Zerbrochenen

Im Zorne, spielend, da und dort zum

Schallenden Ufer und an der Stimme


Des Göttersohns erwachen die Berge rings,

Es regen sich die Wälder, es hört die Kluft

Den Herold fern und schaudernd regt im

Busen der Erde sich Freude wieder.


Der Frühling kommt; es dämmert das neue Grün;

Er aber wandelt hin zu Unsterblichen;

Denn nirgend darf er bleiben, als wo

Ihn in die Arme der Vater aufnimmt.


Das Angenehme dieser Welt...


Das Angenehme dieser Welt hab' ich genossen,

Die Jugendstunden sind, wie lang! wie lang! verflossen,

April und Mai und Julius sind ferne,

Ich bin nichts mehr, ich lebe nicht mehr gerne!



An Diotima

Schönes Leben! du lebst, wie die zarten Blüten im Winter,

In der gealterten Welt blühst du verschlossen, allein.

Liebend strebst du hinaus, dich zu sonnen am Lichte des Frühlings,

Zu erwarmen an ihr, suchst du die Jugend der Welt.

Deine Sonne, die schönere Zeit ist untergegangen,

Und in frostiger Nacht zanken Orkane sich nun.


Andenken

Der Nordost wehet,

Der liebste unter den Winden

Mir, weil er feurigen Geist

Und gute Fahrt verheißet den Schiffern.

Geh aber nun und grüße

Die schöne Garonne,

Und die Gärten von Bourdeaux

Dort, wo am scharfen Ufer

Hingehet der Steg und in den Strom

Tief fällt der Bach, darüber aber

Hinschauet ein edel Paar

Von Eichen und Silberpappeln;

Noch denket das mir wohl und wie

Die breiten Gipfel neiget

Der Ulmwald, über die Mühl',

Im Hofe aber wächset ein Feigenbaum.

An Feiertagen gehn

Die braunen Frauen daselbst

Auf seidnen Boden,

Zur Märzenzeit,

Wenn gleich ist Nacht und Tag,

Und über langsamen Stegen,

Von goldenen Träumen schwer,

Einwiegende Lüfte ziehen.

Es reiche aber,

Des dunkeln Lichtes voll,

Mir einer den duftenden Becher,

Damit ich ruhen möge; denn süß

Wär' unter Schatten der Schlummer.

Nicht ist es gut,

Seellos von sterblichen

Gedanken zu sein. Doch gut

Ist ein Gespräch und zu sagen

Des Herzens Meinung, zu hören viel

Von Tagen der Lieb',

Und Taten, welche geschehen.

Wo aber sind die Freunde? Bellarmin

Mit dem Gefährten? Mancher

Trägt Scheue, an die Quelle zu gehn;

Es beginnst nämlich der Reichtum

Im Meere. Sie,

Wie Maler, bringen zusammen

Das Schöne der Erd' und verschmähn

Den geflügelten Krieg nicht, und

Zu wohnen einsam, jahrelang, unter

Dem entlaubten Mast, wo nicht die Nacht durchglänzen

Die Feiertage der Stadt,

Und Saitenspiel und eingeborener Tanz nicht.

Nun aber sind zu Indiern

Die Männer gegangen,

Dort an der luftigen Spitz'

An Traubenbergen, wo herab

Die Dordogne kommt,

Und zusammen mit der prächtigen

Garonne meerbreit

Ausgehet der Strom. Es nehmet aber

Und gibt Gedächtnis die See,

Und die Lieb' auch heftet fleißig die Augen,

Was bleibet aber, stiften die Dichter



Hälfte des Lebens

Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm’ ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.


Geh unter, schöne Sonne...

Geh unter, schöne Sonne, sie achteten

Nur wenig dein, sie kannten dich, Heilge, nicht,

Denn mühelos und stille bist du

Über den Mühsamen aufgegangen.

Mir gehst du freundlich unter und auf, o Licht!

Und wohl erkennt mein Auge dich, Herrliches!

Denn göttlich stille ehren lernt' ich,

Da Diotima den Sinn mir heilte.

O du des Himmels Botin! wie lauscht ich dir!

Dir, Diotima! Liebe! wie sah von dir

Zum goldnen Tage dieses Auge

Glänzend und dankend empor. Da rauschten

Lebendiger die Quellen, es atmeten

Der dunkeln Erde Blüten mich liebend an,

Und lächelnd über Silberwolken

Neigte sich segnend herab der Aether.


Der Dichter


Doch uns gebührt es, unter Gottes Gewittern,

ihr Dichter! mit entblößtem Haupte zu stehen,

des Vaters Strahl, ihn selbst, mit eigner Hand

zu fassen und dem Volk, ins Lied

gehüllt, die himmlische Gabe zu reichen.

Denn sind nur reinen Herzens,

wie Kinder, wir, sind schuldlos unsere Hände,

des Vaters Strahl, der reine, versenget nicht,

und tieferschüttert die Leiden des Stärkeren,

die hochherstürzenden in unaufhaltsamen Stürmen,

mitleidend, bleibt das ewige Herz doch fest.


Abendphantasie

Vor seiner Hütte ruhig im Schatten sitzt

Der Pflüger, dem Genügsamen raucht sein Herd.

Gastfreundlich tönt dem Wanderer im

Friedlichen Dorfe die Abendglocke.

Wohl kehren itzt die Schiffer zum Hafen auch,

In fernen Städten, fröhlich verrauscht des Markts

Geschäftger Lärm; in stiller Laube

Glänzt das gesellige Mahl den Freunden.

Wohin denn ich? Es leben die Sterblichen

Von Lohn und Arbeit; wechselnd in Müh' und Ruh

Ist alles freudig; warum schläft denn

Nimmer nur mir in der Brust der Stachel?

Am Abendhimmel blühet ein Frühling auf;

Unzählig blühn die Rosen und ruhig scheint

Die goldne Welt; o dorthin nimmt mich,

Purpurne Wolken! und möge droben

In Licht und Luft zerrinnen mir Lieb' und Leid! -

Doch, wie verscheucht von töriger Bitte, flieht

Der Zauber; dunkel wirds und einsam

Unter dem Himmel, wie immer, bin ich -

Komm du nun, sanfter Schlummer! zu viel begehrt

Das Herz; doch endlich, Jugend! verglühst du ja,

Du ruhelose, träumerische!

Friedlich und heiter ist dann das Alter.


Drin in den Alpen ists noch helle Nacht 1


Drin in den Alpen ists noch helle Nacht und die Wolke,

Freudiges dichtend, sie deckt drinnen das gähnende Tal.

Dahin, dorthin toset und stürzt die scherzende Bergluft,

Schroff durch Tannen herab glänzet und schwindet ein Strahl.

Langsam eilt und kämpft das freudigschauernde Chaos,

Jung an Gestalt, doch stark, feiert es liebenden Streit

Unter den Felsen, es gärt und wankt in den ewigen Schranken,

Denn bacchantischer zieht drinnen der Morgen herauf.

Denn es wächst unendlicher dort das Jahr und die heilgen

Stunden, die Tage, sie sind kühner geordnet, gemischt.

Dennoch merket die Zeit der Gewittervogel und zwischen

Bergen, hoch in der Luft weilt er und rufet den Tag.

Jetzt auch wachet und schaut in der Tiefe drinnen das Dörflein

Furchtlos, Hohem vertraut, unter den Gipfeln hinauf.

Wachstum ahnend, denn schon, wie Blitze, fallen die alten

Wasserquellen, der Grund unter den Stürzenden dampft,

Echo tönet umher, und die unermeßliche Werkstatt

Reget bei Tag und Nacht, Gaben versendend, den Arm.

…..

In lieblicher Bläue..


In lieblicher Bläue blühet

mit dem metallenen Dache der Kirchthurm. Den umschwebet

Geschrei der Schwalben, den umgiebt die rührendste Bläue.

Die Sonne gehet hoch darüber und färbet das Blech,

im Winde aber oben stille krähet die Fahne.

Wenn einer unter der Glocke dann herabgeht, jene Treppen,

ein stilles Leben ist es, weil,

wenn abgesondert so sehr die Gestalt ist,

die Bildsamkeit herauskommt dann des Menschen.

Die Fenster, daraus die Glocken tönen, sind wie Thore an Schönheit.

Nemlich, weil noch der Natur nach sind die Thore,

haben diese die Ähnlichkeit von Bäumen des Walds.

Reinheit aber ist auch Schönheit.

Innen aus Verschiedenem entsteht ein ernster Geist.

So sehr einfältig aber die Bilder, so sehr heilig sind die, daß

man wirklich oft fürchtet, die zu beschreiben.

Die Himmlischen aber, die immer gut sind,

alles zumal, wie Reiche, haben diese, Tugend und Freude.

Der Mensch darf das nachahmen.

Darf, wenn lauter Mühe das Leben, ein Mensch

aufschauen und sagen: so will ich auch seyn?

Ja. So lange die Freundlichkeit noch am Herzen, die Reine,

dauert, misset nicht unglücklich der Mensch sich

der Gottheit.

Ist unbekannt Gott? Ist er offenbar wie die Himmel?

dieses glaub' ich eher. Des Menschen Maaß ist's.

Voll Verdienst, doch dichterisch,

wohnet der Mensch auf dieser Erde. Doch reiner

ist nicht der Schatten der Nacht mit den Sternen,

wenn ich so sagen könnte,

als der Mensch, der heißet ein Bild der Gottheit.


Giebt auf Erden ein Maaß?

Es giebt keines. Nemlich

es hemmen der Donnergang nie die Welten des Schöpfers.

Auch eine Blume ist schön, weil sie blühet unter der Sonne.

Es findet das Aug' oft im Leben

Wesen, die viel schöner noch zu nennen wären

als die Blumen. O! ich weiß das wohl!

Denn zu bluten an Gestalt und Herz,

und ganz nicht mehr zu seyn, gefällt das Gott ?

Die Seele aber, wie ich glaube, muß rein bleiben,

sonst reicht an das Mächtige auf Fittigen der Adler mit lobendem Gesange

und der Stimme so vieler Vögel.

Es ist die Wesenheit, die Gestalt ist's.

Du schönes Bächlein, du scheinest rührend, indem du rollest so klar,

wie das Auge der Gottheit, durch die Milchstraße.

Ich kenne dich wohl,

aber Thränen quillen aus dem Auge. Ein heiteres Leben

seh' ich in den Gestalten mich umblühen der Schöpfung, weil

ich es nicht unbillig vergleiche den einsamen Tauben auf dem Kirchhof.

Das Lachen aber scheint mich zu grämen der Menschen,

nemlich ich hab' ein Herz.

Möcht' ich ein Komet seyn?

Ich glaube. Denn sie haben Schnelligkeit der Vögel; sie blühen an Feuer,

und sind wie Kinder an Reinheit.

Größeres zu wünschen, kann nicht des Menschen Natur sich vermessen.

Der Tugend Heiterkeit verdient auch gelobt zu werden vom ernsten Geiste,

der zwischen den drei Säulen wehet

des Gartens. Eine schöne Jungfrau muß das Haupt umkränzen

mit Myrthenblumen, weil sie einfach ist

ihrem Wesen nach und ihrem Gefühl. Myrthen aber

giebt es in Griechenland.


Wenn einer in den Spiegel siehet,

ein Mann, und siehet darinn sein Bild, wie abgemahlt;

es gleicht dem Manne.

Augen hat des Menschen Bild,

hingegen Licht der Mond.

Der König Ödipus hat ein Auge zuviel vielleicht.

Diese Leiden dieses Mannes, sie scheinen unbeschreiblich, unaussprechlich,

unausdrüklich.

Wenn das Schauspiel ein solches darstellt, kommt's daher.

Wie ist mir's aber, gedenk' ich deiner jetzt?

Wie Bäche reißt des Ende von Etwas mich dahin,

welches sich wie Asien ausdehnet.

Natürlich dieses Leiden, das hat Ödipus.

Natürlich ist's darum.

Hat auch Herkules gelitten?

Wohl. Die Dioskuren in ihrer Freundschaft

haben die nicht Leiden auch getragen? Nemlich

wie Herkules mit Gott zu streiten, das ist Leiden.

Und die Unsterblichkeit im Neide dieses Leben,

diese zu theilen, ist ein Leiden auch.

Doch das ist auch ein Leiden, wenn mit Sommerflecken ist bedeckt ein Mensch,

mit manchen Flecken ganz überdeckt zu seyn! Das thut die schöne Sonne:

nemlich die ziehet alles auf.

Die Jünglinge führt die Bahn sie mit Reizen ihrer Strahlen

wie mit Rosen.

Die Leiden scheinen so,

die Ödipus getragen,

als wie ein armer Mann klagt,

daß ihm etwas fehle.

Sohn Laios, armer Fremdling in Griechenland!

Leben ist Tod, und Tod ist auch ein Leben




Brod und Wein

An Heinze

1.

Rings um ruhet die Stadt; still wird die erleuchtete Gasse,

Und, mit Fackeln geschmückt, rauschen die Wagen hinweg.

Satt gehn heim von Freuden des Tags zu ruhen die Menschen,

Und Gewinn und Verlust wäget ein sinniges Haupt

Wohlzufrieden zu Haus; leer steht von Trauben und Blumen,

Und von Werken der Hand ruht der geschäftige Markt.

Aber das Saitenspiel tönt fern aus Gärten; vielleicht, daß

Dort ein Liebendes spielt oder ein einsamer Mann

Ferner Freunde gedenkt und der Jugendzeit; und die Brunnen

Immerquillend und frisch rauschen an duftendem Beet.

Still in dämmriger Luft ertönen geläutete Glocken,

Und der Stunden gedenk rufet ein Wächter die Zahl.

Jetzt auch kommet ein Wehn und regt die Gipfel des Hains auf,

Sieh! und das Schattenbild unserer Erde, der Mond,

Kommet geheim nun auch; die Schwärmerische, die Nacht, kommt,

Voll mit Sternen und wohl wenig bekümmert um uns,

Glänzt die Erstaunende dort, die Fremdlingin unter den Menschen,

Über Gebirgeshöhn traurig und prächtig herauf.

2.

Wunderbar ist die Gunst der Hocherhabnen und niemand

Weiß, von wannen und was einem geschiehet von ihr.

So bewegt sie die Welt und die hoffende Seele der Menschen,

Selbst kein Weiser versteht, was sie bereitet, denn so

Will es der oberste Gott, der sehr dich liebet, und darum

Ist noch lieber, wie sie, dir der besonnene Tag.

Aber zuweilen liebt auch klares Auge den Schatten

Und versuchet zu Lust, eh es die Not ist, den Schlaf,

Oder es blickt auch gern ein treuer Mann in die Nacht hin,

Ja, es ziemet sich, ihr Kränze zu weihn und Gesang,

Weil den Irrenden sie geheiliget ist und den Toten,

Selber aber besteht, ewig, in freiestem Geist.

Aber sie muß uns auch, daß in der zaudernden Weile,

Daß im Finstern für uns einiges Haltbare sei,

Uns die Vergessenheit und das Heiligtrunkene gönnen,

Gönnen das strömende Wort, das, wie die Liebenden, sei,

Schlummerlos und vollern Pokal und kühneres Leben,

Heilig Gedächtnis auch, wachend zu bleiben bei Nacht.

3.

Auch verbergen umsonst das Herz im Busen, umsonst nur

Halten den Mut noch wir, Meister und Knaben, denn wer

Möcht es hindern, und wer möcht uns die Freude verbieten?

Göttliches Feuer auch treibet, bei Tag und bei Nacht,

Aufzubrechen. So komm! daß wir das Offene schauen,

Daß ein Eigenes wir suchen, so weit es auch ist.

Fest bleibt Eins; es sei um Mittag oder es gehe

Bis in die Mitternacht, immer bestehet ein Maß,

Allen gemein, doch jeglichem auch ist eignes beschieden,

Dahin gehet und kommt jeder, wohin er es kann.

Drum! und spotten des Spotts mag gern frohlockender Wahnsinn,

Wenn er in heiliger Nacht plötzlich die Sänger ergreift.

Drum an den Isthmos komm! dorthin, wo das offene Meer rauscht

Am Parnaß und der Schnee delphische Felsen umglänzt,

Dort ins Land des Olymps, dort auf die Höhe Cithärons,

Unter die Fichten dort, unter die Trauben, von wo

Thebe drunten und Ismenos rauscht im Lande des Kadmos,

Dorther kommt und zurück deutet der kommende Gott.

4.

Seliges Griechenland! du Haus der Himmlischen alle,

Also ist wahr, was einst wir in der Jugend gehört?

Festlicher Saal! der Boden ist Meer! und Tische die Berge,

Wahrlich zu einzigem Brauche vor alters gebaut!

Aber die Thronen, wo? die Tempel, und wo die Gefäße,

Wo mit Nektar gefüllt, Göttern zu Lust der Gesang?

Wo, wo leuchten sie denn, die fernhintreffenden Sprüche?

Delphi schlummert und wo tönet das große Geschick?

Wo ist das schnelle? wo bricht's, allgegenwärtigen Glücks voll,

Donnernd aus heiterer Luft über die Augen herein?

Vater Äther! so rief's und flog von Zunge zu Zunge,

Tausendfach, es ertrug keiner das Leben allein,

Ausgeteilet erfreut solch Gut und getauschet, mit Fremden,

Wird's ein Jubel, es wächst schlafend des Wortes Gewalt:

Vater! heiter! und hallt, so weit es gehet, das uralt

Zeichen, von Eltern geerbt, treffend und schaffend hinab.

Denn so kehren die Himmlischen ein, tiefschütternd gelangt so

Aus den Schatten herab unter die Menschen ihr Tag.

5.

Unempfunden kommen sie erst, es streben entgegen

Ihnen die Kinder, zu hell kommet, zu blendend das Glück,

Und es scheut sie der Mensch, kaum weiß zu sagen ein Halbgott,

Wer mit Namen sie sind, die mit den Gaben ihm nahn.

Aber der Mut von ihnen ist groß, es füllen das Herz ihm

Ihre Freuden, und kaum weiß er zu brauchen das Gut,

Schafft, verschwendet und fast ward ihm Unheiliges heilig,

Das er mit segnender Hand törig und gütig berührt.

Möglichst dulden die Himmlischen dies; dann aber in Wahrheit

Kommen sie selbst, und gewohnt werden die Menschen des Glücks

Und des Tags und zu schaun die Offenbaren, das Antlitz

Derer, welche, schon längst Eines und Alles genannt,

Tief die verschwiegene Brust mit freier Genüge gefüllet,

Und zuerst und allein alles Verlangen beglückt.

So ist der Mensch; wenn da ist das Gut, und es sorget mit Gaben

Selber ein Gott für ihn, kennet und sieht er es nicht.

Tragen muß er, zuvor; nun aber nennt er sein Liebstes,

Nun, nun müssen dafür Worte, wie Blumen, entstehn.

6.

Und nun denkt er zu ehren in Ernst die seligen Götter,

Wirklich und wahrhaft muß alles verkünden ihr Lob.

Nichts darf schauen das Licht, was nicht den Hohen gefället,

Vor den Äther gebührt Müßigversuchendes nicht.

Drum in der Gegenwart der Himmlischen würdig zu stehen,

Richten in herrlichen Ordnungen Völker sich auf

Untereinander und baun die schönen Tempel und Städte

Fest und edel, sie gehn über Gestaden empor ۃ

Aber wo sind sie? wo blühn die Bekannten, die Kronen des Festes?

Thebe welkt und Athen; rauschen die Waffen nicht mehr

In Olympia, nicht die goldnen Wagen des Kampfspiels,

Und bekränzen sich denn nimmer die Schiffe Korinths?

Warum schweigen auch sie, die alten heil'gen Theater?

Warum freuet sich denn nicht der geweihete Tanz?

Warum zeichnet, wie sonst, die Stirne des Mannes ein Gott nicht,

Drückt den Stempel, wie sonst, nicht dem Getroffenen auf?

Oder er kam auch selbst und nahm des Menschen Gestalt an

Und vollendet' und schloß tröstend das himmlische Fest.

7.

Aber Freund! wir kommen zu spät. Zwar leben die Götter,

Aber über dem Haupt droben in anderer Welt.

Endlos wirken sie da und scheinen's wenig zu achten,

Ob wir leben, so sehr schonen die Himmlischen uns.

Denn nicht immer vermag ein schwaches Gefäß sie zu fassen,

Nur zuzeiten erträgt die göttliche Fülle der Mensch.

Traum von ihnen ist drauf das Leben. Aber das Irrsal

Hilft, wie Schlummer, und stark machet die Not und die Nacht,

Bis daß Helden genug in der ehernen Wiege gewachsen,

Herzen an Kraft, wie sonst, ähnlich den Himmlischen sind.

Donnernd kommen sie drauf. Indessen dünket mir öfters

Besser zu schlafen, wie so ohne Genossen zu sein,

So zu harren, und was zu tun indes und zu sagen,

Weiß ich nicht, und wozu Dichter in dürftiger Zeit.

Aber sie sind, sagst du, wie des Weingotts heilige Priester,

Welche von Lande zu Land zogen in heiliger Nacht.

8.

Nämlich, als vor einiger Zeit, uns dünket sie lange,

Aufwärts stiegen sie all, welche das Leben beglückt,

Als der Vater gewandt sein Angesicht von den Menschen,

Und das Trauern mit Recht über der Erde begann,

Als erschienen zuletzt ein stiller Genius, himmlisch

Tröstend, welcher des Tags Ende verkündet' und schwand,

Ließ zum Zeichen, daß einst er da gewesen und wieder

Käme, der himmlische Chor einige Gaben zurück,

Derer menschlich, wie sonst, wir uns zu freuen vermöchten,

Denn zur Freude, mit Geist, wurde das Größre zu groß

Unter den Menschen und noch, noch fehlen die Starken zu höchsten

Freuden, aber es lebt stille noch einiger Dank.

Brod ist der Erde Frucht, doch ist's vom Lichte gesegnet,

Und vom donnernden Gott kommet die Freude des Weins.

Darum denken wir auch dabei der Himmlischen, die sonst

Da gewesen und die kehren in richtiger Zeit,

Darum singen sie auch mit Ernst, die Sänger, den Weingott,

Und nicht eitel erdacht tönet dem Alten das Lob.

9.

Ja! sie sagen mit Recht, er söhne den Tag mit der Nacht aus,

Führe des Himmels Gestirn ewig hinunter, hinauf,

Allzeit froh, wie das Laub der immergrünenden Fichte,

Das er liebt, und der Kranz, den er von Efeu gewählt,

Weil er bleibet und selbst die Spur der entflohenen Götter

Götterlosen hinab unter das Finstere bringt.

Was der Alten Gesang von Kindern Gottes geweissagt,

Siehe! wir sind es, wir; Frucht von Hesperien ist's!

Wunderbar und genau ist's als an Menschen erfüllet,

Glaube, wer es geprüft! aber so vieles geschieht,

Keines wirket, denn wir sind herzlos, Schatten, bis unser

Vater Äther erkannt jeden und allen gehört.

Aber indessen kommt als Fackelschwinger des Höchsten

Sohn, der Syrier, unter die Schatten herab.

Selige Weise sehn's; ein Lächeln aus der gefangnen

Seele leuchtet, dem Licht tauet ihr Auge noch auf.

Sanfter träumet und schläft in Armen der Erde der Titan,

Selbst der neidische, selbst Cerberus trinket und schläft.