Download document





KLOPSTOCK, Friedrich Gottlieb


Die Frühlingsfeier
…..
Und die Gewitterwinde? Sie tragen den Donner!

Wie sie rauschen! Wie sie die Wälder

durchrauschen!

Und nun schweigen sie! Majestätischer

Wandeln die Wolken herauf!


Seht ihr den neuen Zeugen des Nahen,

Seht ihr den fliegenden Blitz?

Hört ihr, hoch in den Wolken, den Donner des

Herrn?

Er ruft Jehovah!

Jehovah!

Jehovah!

Und der gesplitterte Wald dampft!


Aber nicht unsre Hütte!

Unser Vater gebot

Seinem Verderber

Vor unsrer Hütte vorüberzugehn!


Ach schon rauschet, schon rauschet

Himmel und Erde vom gnädigen Regen!

Nun ist, wie dürstete sie! Die Erd erquickt,

Und der Himmel der Fülle des Seegens entladen!


Siehe, nun kömmt Jehovah nicht mehr im Wetter!

Im stillen, sanften Säuseln

Kömmt Jehovah!

Und unter ihm neigt sich der Bogen des Friedens.


Wenn einst ich tot bin, wenn mein Gebein...


Wenn [einst ich]1 tot bin, wenn mein Gebein zu Staub

Ist eingesunken, wenn du, mein Auge, nun

Lang über meines Lebens Schicksal,

Brechend im Tode, nun ausgeweint hast,


Und stillanbetend da, wo die Zukunft ist,

Nicht mehr hinaufblickst, wenn mein ersungner Ruhm,

Die Frucht von meiner Jünglingsträne,

Und von der Liebe zu dir, Messias!


Nun auch verweht ist, oder von wenigen

In jene Welt hinübergerettet ward:

Wenn du alsdann auch, meine Fanny,

Lange schon tot bist, und deines Auges


Stillheitres Lächeln, und sein beseelter Blick

Auch ist verloschen, wenn du, vom Volke nicht

Bemerket, deines ganzen Lebens

Edlere Taten nunmehr getan hast,


Des Nachruhms werter, als ein unsterblich Lied,

Ach! wenn du dann auch einen Beglückteren

Als mich geliebt hast, laß den Stolz mir,

Einen Beglückteren, doch nicht Edlern!


Dann wird ein Tag sein, den werd ich auferstehn!

Dann wird ein Tag sein, den wirst du auferstehn!

Dann trennt kein Schicksal mehr die Seelen,

Die du einander, Natur, bestimmtest.


Dann wägt, die Waagschal in der gehobnen Hand,

Gott Glück und Tugend gegeneinander gleich;

Was in der Dinge Lauf jetzt mißklingt,

Tönet in ewigen Harmonien!


Wenn dann du dastehst jugendlich auferweckt,

Dann eil ich zu dir! säume nicht, bis mich erst

Ein Seraph bei der Rechten fasse,

Und mich, Unsterbliche, zu dir führe.


Dann soll dein Bruder, innig von mir umarmt,

Zu dir auch eilen! dann will ich tränenvoll,

Voll froher Tränen jenes Lebens

Neben dir stehn, dich mit Namen nennen,


Und dich umarmen! Dann, o Unsterblichkeit,

Gehörst du ganz uns! Kommt, die das Lied nicht singt,

Kommt, unaussprechlich süße Freuden!

So unaussprechlich, als jetzt mein Schmerz ist.


Rinn unterdes, Leben. Sie kommt gewiß

Die Stunde, die uns nach der Zypresse ruft!

Ihr andern, seid der schwermutsvollen

Liebe geweiht! und umwölkt und dunkel!


Der Zürchersee

Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht

Auf die Fluren verstreut, schöner ein froh Gesicht,

Das den großen Gedanken

Deiner Schöpfung noch einmal denkt.

Von des schimmernden Sees Traubengestaden her,

Oder, flohest du schon wieder zum Himmel auf,

Komm in rötendem Strahle

Auf dem Flügel der Abendluft,

Komm, und lehre mein Lied jugendlich heiter sein,

Süße Freude, wie du! gleich dem beseelteren

Schnellen Jauchzen des Jünglings,

Sanft, der fühlenden Fanny gleich.

Schon lag hinter uns weit Uto, an dessen Fuß

Zürch in ruhigem Tal freie Bewohner nährt;

Schon war manches Gebirge

Voll von Reben vorbeigeflohn.

Jetzt entwölkte sich fern silberner Alpen Höh,

Und der Jünglinge Herz schlug schon empfindender,

Schon verriet es beredter

Sich der schönen Begleiterin.

"Hallers Doris", die sang, selber des Liedes wert,

Hirzels Daphne, den Kleist innig wie Gleimen liebt;

Und wir Jünglinge sangen

Und empfanden wie Hagedorn.

Jetzo nahm uns die Au in die beschattenden

Kühlen Arme des Walds, welcher die Insel krönt;

Da, da kamest du, Freude!

Volles Maßes auf uns herab!

Göttin Freude, du selbst! dich, wir empfanden dich!

Ja, du warest es selbst, Schwester der Menschlichkeit,

Deiner Unschuld Gespielin,

Die sich über uns ergoß!

Süß ist, fröhlicher Lenz, deiner Begeistrung Hauch,

Wenn die Flur dich gebiert, wenn sich dein Odem sanft

In der Jünglinge Herzen,

Und die Herzen der Mädchen gießt.

Ach du machst das Gefühl siegend, es steigt durch dich

Jede blühende Brust schöner, und bebender,

Lauter redet der Liebe

Nun entzauberter Mund durch dich!

Lieblich winket der Wein, wenn er Empfindungen,

Beßre sanftere Lust, wenn er Gedanken winkt,

Im sokratischen Becher

Von der tauenden Ros' umkränzt;

Wenn er dringt bis ins Herz, und zu Entschließungen,

Die der Säufer verkennt, jeden Gedanken weckt,

Wenn er lehret verachten,

Was nicht würdig des Weisen ist.

Reizvoll klinget des Ruhms lockender Silberton

In das schlagende Herz, und die Unsterblichkeit

Ist ein großer Gedanke,

Ist des Schweißes der Edeln wert!

Durch der Lieder Gewalt, bei der Urenkelin

Sohn und Tochter noch sein; mit der Entzückung Ton

Oft beim Namen genennet,

Oft gerufen vom Grabe her,

Dann ihr sanfteres Herz bilden und; Liebe, dich,

Fromme Tugend, dich auch gießen ins sanfte Herz,

Ist, beim Himmel! nicht wenig!

Ist des Schweißes der Edeln wert!

Aber süßer ist noch, schöner und reizender,

In dem Arme des Freunds wissen ein Freund zu sein!

So das Leben genießen,

Nicht unwürdig der Ewigkeit!

Treuer Zärtlichkeit voll, in den Umschattungen,

In den Lüften des Walds, und mit gesenktem Blick

Auf die silberne Welle,

Tat ich schweigend den frommen Wunsch:

Wäret ihr auch bei uns, die ihr mich ferne liebt,

In des Vaterlands Schoß einsam von mir verstreut,

Die in seligen Stunden

Meine suchende Seele fand;

O so bauten wir hier Hütten der Freundschaft uns!

Ewig wohnten wir hier, ewig! Der Schattenwald

Wandelt' uns sich in Tempe,

Jenes Tal in Elysium!


Die frühen Gräber

Willkommen, o silberner Mond,

Schöner, stiller Gefährt der Nacht!

Du entfliehst? Eile nicht, bleib, Gedankenfreund!

Sehet, er bleibt, das Gewölk wallte nur hin.

Des Mayes Erwachen ist nur

Schöner noch, wie die Sommernacht,

Wenn ihm Thau, hell wie Licht, aus der Locke träuft,

Und zu dem Hügel herauf röthlich er kömt.

Ihr Edleren, ach es bewächst

Eure Maale schon ernstes Moos!

O wie war glücklich ich, als ich noch mit euch

Sahe sich röthen den Tag, schimmern die Nacht


Das Wiedersehn

Der Weltraum fernt mich weit von dir,

So fernt mich nicht die Zeit.

Wer überlebt das siebzigste

Schon hat, ist nah bei dir.

Lang sah ich, Meta, schon dein Grab,

Und seine Linde wehn;

Die Linde wehet einst auch mir,

Streut ihr Blum' auch mir,

Nicht mir! Das ist mein Schatten nur,

Worauf die Blüte sinkt;

So wie es nur dein Schatten war,

Worauf sie oft schon sank.

Dann kenn' ich auch die höhre Welt,

In der du lange warst;

Dann sehn wir froh die Linde wehn,

Die unsre Gräber kühlt.

Dann ... Aber ach ich weiß ja nicht,

Was du schon lange weißt;

Nur daß es, hell von Ahndungen,

Mir um die Seele schwebt!

Mit wonnevollen Hoffnungen

Die Abendröte kommt:

Mit frohem, tiefen Vorgefühl,

Die Sonnen auferstehn!


Das Rosenband

Im Frühlingsschatten fand ich sie,

da band ich sie mit Rosenbändern:

sie fühlt es nicht und schlummerte.

Ich sah sie an: mein Leben hing

mit diesem Blick an ihrem Leben:

ich fühlt es wohl und wusst es nicht.

Doch lispelt ich ihr sprachlos zu

und rauschte mit den Rosenbändern:

da wachte sie vom Schlummer auf.

Sie sah mich an, ihr Leben hing

mit diesem Blick an meinem Leben

und um uns ward‘s Elysium.


Die Auferstehung

Auferstehn, ja, auferstehn wirst du,

Mein Staub, nach kurzer Ruh'.

Unsterblichs Leben

Wird, der dich schuf, dir geben.

Halleluja!

Wieder aufzublühn, werd ich gesät.

Der Herr der Ernte geht

Und sammelt Garben

Uns ein, uns ein, die starben.

Halleluja!

Tag des Danks, der Freudenthränen Tag,

Du meines Gottes Tag!

Wenn ich im Grabe

Genug geschlummert habe,

Erweckst du mich.

Wie den Träumenden wird's dann uns seyn!

Mit Jesu gehn wir ein

Zu seinen Freuden.

Der müden Pilger Leiden

Sind dann nicht mehr.

Ach, ins Allerheiligste führt mich

Mein Mittler dann, lebt' ich

Im Heiligthume

Zu seines Namens Ruhme.

Halleluja!


Das Landleben

Nicht in den Ozean

Der Welten alle

Will ich mich stürzen!

Nicht schweben, wo die ersten Erschaffnen,

Wo die Jubelchöre der Söhne des Lichts

Anbeten, tief anbeten,

Und in Entzückung vergehn!

Nur um den Tropfen am Eimer,

Um die Erde nur, will ich schweben,


Und anbeten! Halleluja! Halleluja!

Auch der Tropfen am Eimer

Rann aus der Hand des Allmächtigen!

Da aus der Hand des Allmächtigen

Die größern Erden quollen,

Da die Ströme des Lichts

Rauschten, und Orionen wurden;

Da rann der Tropfen

Aus der Hand des Allmächtigen!

Wer sind die tausendmal tausend,

Die myriadenmal hundert tausend,

Die den Tropfen bewohnen?

Und bewohnten?

Wer bin ich?

Halleluja dem Schaffenden!

Mehr als die Erden, die quollen!

Mehr als die Orionen,

Die aus Strahlen zusammenströmten!

Aber, du Frühlingswürmchen,

Das grünlichgolden

Neben mir spielt,

Du lebst;

Und bist, vielleicht – –

Ach, nicht unsterblich!

Ich bin herausgegangen,

Anzubeten;

Und ich weine?

Vergib, vergib dem Endlichen

Auch diese Thränen,

O du, der sein wird!

Du wirst sie alle mir enthüllen

Die Zweifel, alle

O du, der mich durchs dunkle Tal

Des Todes führen wird!

Dann werd ich es wissen:

Ob das goldne Würmchen

Eine Seele hatte?

Wärest du nur gebildeter Staub,

Würmchen, so werde denn

Wieder verfliegender Staub,

Oder was sonst der Ewige will!

Ergeuß von neuem, du mein Auge,

Freudentränen!

Du, meine Harfe,

Preise den Herrn!

Umwunden, wieder von Palmen umwunden

Ist meine Harfe!

Ich singe dem Herrn!

Hier steh ich.

Rund um mich ist alles Allmacht!

Ist alles Wunder!

Mit tiefer Ehrfurcht,

Schau ich die Schöpfung an!

Denn du!

Namenlosester, du!

Erschufst sie!

Lüfte, die um mich wehn,

Und süße Kühlung

Auf mein glühendes Angesicht gießen,

Euch, wunderbare Lüfte,

Sendet der Herr! Der Unendliche!

Aber itzt werden sie still; kaum atmen sie!

Die Morgensonne wird schwül!

Wolken strömen herauf!

Das ist sichtbar der Ewige,

Der kömmt!

Nun fliegen, und wirbeln, und rauschen die Winde!

Wie beugt sich der bebende Wald!

Wie hebt sich der Strom!

Sichtbar, wie du es Sterblichen sein kannst,

Ja, das bist du sichtbar, Unendlicher!


Der Wald neigt sich!

Der Strom flieht!

Und ich falle nicht auf mein Angesicht?

Herr! Herr! Gott! barmherzig! und gnädig!

Du Naher!

Erbarme dich meiner!

Zürnest, du, Herr, weil Nacht dein Gewand ist?

Diese Nacht ist Segen der Erde!

Du zürnest nicht, Vater!

Sie kömmt, Erfrischung auszuschütten

Über den stärkenden Halm!

Über die herzerfreuende Traube!

Vater! Du zürnest nicht!

Alles ist stille vor dir, du Naher!

Ringsum ist alles stille!

Auch das goldne Würmchen merkt auf!

Ist es vielleicht nicht seelenlos?

Ist es unsterblich?

Ach vermöcht ich dich, Herr, wie ich dürste, zu preisen!

Immer herrlicher offenbarst du dich!

Immer dunkler wird, Herr, die Nacht um dich!

Und voller von Segen!

Seht ihr den Zeugen des Nahen, den zückenden Blitz?

Hört ihr den Donner Jehovah?

Hört ihr ihn?

Hört ihr ihn?

Den erschütternden Donner des Herrn?

Herr! Herr! Gott! barmherzig und gnädig!

Angebetet, gepriesen

Sei dein herrlicher Name!

Und die Gewitterwinde? Sie tragen den Donner!

Wie sie rauschen! Wie sie die Wälder durchrauschen!

Und nun schweigen sie! Majestätischer

Wandeln die Wolken herauf!

Seht ihr den neuen Zeugen des Nahen,

Seht ihr den fliegenden Blitz?

Hört ihr hoch in den Wolken, den Donner des Herrn?

Er ruft Jehovah!

Jehovah!

Jehovah!

Und der gesplitterte Wald dampft!


Aber nicht unsre Hütte!

Unser Vater gebot

Seinem Verderber

Vor unsrer Hütte vorüberzugehn!

Ach schon rauschet, schon rauschet

Himmel und Erde vom gnädigen Regen!

Nun ist, wie dürstete sie! Die Erd erquickt,

Und der Himmel der Fülle des Segens entladen!

Siehe, nun kömmt Jehovah nicht mehr im Wetter!

Im stillen, sanften Säuseln

Kömmt Jehovah!

Und unter ihm neigt sich der Bogen des Friedens.