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GERHARDT, Paul



Abendlied

Nun ruhen alle Wälder,

Vieh, Menschen, Städt und Felder,

es schläft die ganze Welt;

ihr aber, meine Sinnen,

auf, auf, ihr sollt beginnen,

was eurem Schöpfer wohlgefällt.


Wo bist du, Sonne, blieben?

Die Nacht hat dich vertrieben,

die Nacht, des Tages Feind.

Fahr hin; ein andre Sonne,

mein Jesus, meine Wonne,

gar hell in meinem Herzen scheint.


Der Tag ist nun vergangen,

die güldnen Sternlein prangen

am blauen Himmelssaal;

also werd ich auch stehen,

wenn mich wird heißen gehen

mein Gott aus diesem Jammertal.


Der Leib eilt nun zur Ruhe,

legt ab das Kleid und Schuhe,

das Bild der Sterblichkeit;

die zieh ich aus, dagegen

wird Christus mir anlegen

den Rock der Ehr und Herrlichkeit.


Das Haupt, die Füß und Hände

sind froh, dass nun zum Ende

die Arbeit kommen sei.

Herz, freu dich, du sollst werden

vom Elend dieser Erden

und von der Sünden Arbeit frei.


Nun geht, ihr matten Glieder,

geht hin und legt euch nieder,

der Betten ihr begehrt.

Es kommen Stund und Zeiten,

da man euch wird bereiten

zur Ruh ein Bettlein in der Erd.


Mein Augen stehn verdrossen,

im Nu sind sie geschlossen.

Wo bleibt dann Leib und Seel?

Nimm sie zu deinen Gnaden,

sei gut für allen Schaden,

du Aug und Wächter Israel’.


Breit aus die Flügel beide,

o Jesu, meine Freude,

und nimm dein Küchlein ein.

Will Satan mich verschlingen,

so lass die Englein singen:

„Dies Kind soll unverletzet sein.“


Auch euch, ihr meine Lieben,

soll heute nicht betrüben

kein Unfall noch Gefahr.

Gott lass euch selig schlafen,

stell euch die güldnen Waffen

ums Bett und seiner Engel Schar.





VAN LEUVEN, Arnulf

Salve, caput cruentatum

Salve, caput cruentatum,

Totum spinis coronatum,

Conquassatum, vulneratum,

Arundine sic verberatum

Facie sputis illita,

Salve, cuius dulcis vultus,

Immutatus et incultus

Immutavit suum florem

Totus versus in pallorem

Quem coeli tremit curia.

Omnis vigor atque viror

Hinc recessit, non admiror,

Mors apparet in aspectu,

Totus pendens in defectu,

Attritus aegra macie.

Sic affectus, sic despectus

Propter me sic interfectus,

Peccatori tam indigno

Cum amoris intersigno

Appare clara facie.

In hac tua passione

Me agnosce, pastor bone,

Cuius sumpsi mel ex ore,

Haustum lactis ex dulcore

Prae omnibus deliciis,

Non me reum asperneris,

Nec indignum dedigneris

Morte tibi iam vicina

Tuum caput hic acclina,

In meis pausa brachiis.

Tuae sanctae passioni

Me gauderem interponi,

In hac cruce tecum mori

Praesta crucis amatori,

Sub cruce tua moriar.

Morti tuae iam amarae

Grates ago, Jesu care,

Qui es clemens, pie Deus,

Fac quod petit tuns reus,

Ut absque te non finiar.

Dum me mori est necesse,

Noli mihi tunc deesse;

In tremenda mortis hora

Veni, Jesu, absque mora, Tuere me et libera.

Cum me jubes emigrare,

Jesu care, tunc appare;

O amator amplectende,

Temet ipsum tunc ostende

In cruce salutifera.



GERHARDT, Paul


O Haupt voll blut und Wunden


O Haupt voll Blut und Wunden,
voll Schmerz und voller Hohn,
o Haupt, zum Spott gebunden
mit einer Dornenkron,
o Haupt, sonst schön gezieret
mit höchster Ehr und Zier,
jetzt aber hoch schimpfieret:
gegrüßet seist du mir!

Du edles Angesichte,
davor sonst schrickt und scheut
das große Weltgewichte:
wie bist du so bespeit,
wie bist du so erbleichet!
Wer hat dein Augenlicht,
dem sonst kein Licht nicht gleichet,
so schändlich zugericht’?


Die Farbe deiner Wangen,
der roten Lippen Pracht
ist hin und ganz vergangen;
des blassen Todes Macht
hat alles hingenommen,
hat alles hingerafft,
und daher bist du kommen
von deines Leibes Kraft.

Nun, was du, Herr, erduldet,
ist alles meine Last;
ich hab es selbst verschuldet,
was du getragen hast.
Schau her, hier steh ich Armer,
der Zorn verdienet hat.
Gib mir, o mein Erbarmer,
den Anblick deiner Gnad.

Erkenne mich, mein Hüter,
mein Hirte, nimm mich an.
Von dir, Quell aller Güter,
ist mir viel Guts getan;
dein Mund hat mich gelabet
mit Milch und süßer Kost,
dein Geist hat mich begabet
mit mancher Himmelslust.

Ich will hier bei dir stehen,
verachte mich doch nicht;
von dir will ich nicht gehen,
wenn dir dein Herze bricht;
wenn dein Haupt wird erblassen
im letzten Todesstoß,
alsdann will ich dich fassen
in meinen Arm und Schoß.


Es dient zu meinen Freuden
und tut mir herzlich wohl,
wenn ich in deinem Leiden,
mein Heil, mich finden soll.
Ach möcht ich, o mein Leben,
an deinem Kreuze hier
mein Leben von mir geben,
wie wohl geschähe mir!

Ich danke dir von Herzen,
o Jesu, liebster Freund,
für deines Todes Schmerzen,
da du’s so gut gemeint.
Ach gib, dass ich mich halte
zu dir und deiner Treu
und, wenn ich nun [] erkalte,
in dir mein Ende sei.

Wenn ich einmal soll scheiden,
so scheide nicht von mir,
wenn ich den Tod soll leiden,
so tritt du dann herfür;
wenn mir am allerbängsten
wird um das Herze sein,
so reiß mich aus den Ängsten
kraft deiner Angst und Pein.

Erscheine mir zum Schilde,
zum Trost in meinem Tod,
und lass mich sehn dein Bilde
in deiner Kreuzesnot.
Da will ich nach dir blicken,
da will ich glaubensvoll
dich fest an mein Herz drücken.
Wer so stirbt, der stirbt wohl.