Download document

TOLLER, Ernst


Masse Mensch
…..
Gruppe junger Arbeiterinnen

Und Schlacht speit neue Schlacht!
Kein Zaudern mehr mit jenen Herren,
Nicht Schwanken und nicht schwachen Pakt.
Einer Schar Genossen Auftrag:
In die Maschinen Dynamit.
Und morgen fetzen die Fabriken in die Luft.
Maschinen pressen uns wie Vieh in Schlachthaus,
Maschinen klemmen uns in Schraubstock,
Maschinen hämmern unsre Leiber Tag für Tag
Zu Nieten ... Schrauben ...
Schrauben ... drei Millimeter ... Schrauben ... fünf Millimeter,
Dörren unsre Augen, lassen Hände uns verwesen
Bei lebendigem Leibe ...
Nieder die Fabriken, nieder die Maschinen!

Vereinzelte Rufe im Saal

Nieder die Fabriken, nieder die Maschinen!

(Am Tisch auf der Tribüne erhebt sich die Frau.)

Die Frau       

Einst Blinde noch und angefallen
Von Marterkolben saugender Maschinen,
Verzweifelt schrie ich jenen Ruf.
Es ist ein Traum, der eure Blicke hemmt,
Ein Traum von Kindern, die vor Nacht erschreckt.
Denn seht: Wir leben zwanzigstes Jahrhundert.
Erkenntnis ist:
Fabrik ist nicht mehr zu zerstören.
Nehmt Dynamit der ganzen Erde,
Laßt eine Nacht der Tat Fabriken sprengen,
Im nächsten Frühjahr wären sie auferstanden
Und lebten grausamer als je.
Fabriken dürfen nicht mehr Herr,
Und Menschen Mittel sein.
Fabrik sei Diener würdigen Lebens!
Seele des Menschen bezwinge Fabrik!

Gruppe junger Arbeiter

So sollen die und wir verkommen.
Sieh unsre Worte zerstriemen sich in Wut und Rache.
Die Herren bauen sich Paläste,
Da Brüder in den Schützengräben faulen.


Und Tanz quillt auf und Wiesen, bunte Spiele,
In Nächten lesen wir davon und heulen auf!
Und Sehnsucht ist in uns nach Wissen ...
Das Höchste nahmen sie,
Und es ward böse.
Nur manchmal in Theatern springt es uns entgegen
Und ist so zart ... und schön ... und höhnisch wieder!
In Schulen haben unsre Jugend sie zerstört,
In Schulen unsre Seelen zerbrochen.
Einfache Not ist‘s, die wir rufen ...
Riecht wohl -- diese Not gebeizter Dämpfe!
Wer sind wir heute?
Wir wollen nicht warten!

Eine Gruppe von Landarbeitern

Verstoßen hat man uns von unsrer Mutter Erde,
Die reichen Herren kaufen Erde sich wie feile Dirnen,
Belustgen sich mit unsrer gnadenreichen Mutter Erde,
Stoßen unsre rauhen Arme in Rüstungsfabriken.
Wir aber siechen, von Scholle entwurzelt,
Die freudlosen Städte zerbrechen unsre Kraft.
Wir wollen Erde!
Allen die Erde!

Masse im Saal       

Allen die Erde!

Die Frau       

Durch die Quartiere ging ich.
Von Schindeldächern tropfte grauer Regen,
An Stubenwänden schossen Pilze aus der Feuchte.
Und eine Kammer traf ich, saß darin ein Invalide,
Der stotterte: »da draußen war es besser fast ...
Hier leben wir im Schweinekober ...
Nicht wahr ... im Schweinekober?« ...
Und schamhaft Lächeln fiel aus seinen Augen.
Und mit ihm schämt ich mich.
Den Ausweg, Brüder, wollt ihr wissen?
Ein Ausweg bleibt uns Schwachen,
Uns Hassern der Kanonen.
Der Streik! kein Handschlag mehr.
Streik unsre Tat!
Wir Schwachen werden Felsen sein der Stärke,
Und keine Waffe ist gebaut, die uns besiegen könnte.
Ruft unsre stummen Bataillone!
Ich rufe Streik!
Hört ihr:
Ich rufe Streik!
Der Moloch frißt das sechste Jahr die Leiber,
Auf Straßen brechen Schwangere zusammen,

Vor Hunger sind sie nicht mehr fähig,
Zu tragen Last der Ungebornen.
In euren Stuben stiert die Not,
Stiert Seuche, Wahnsinn, Hunger, grüner Hunger.
Dort aber, schaut nach dort:
Die Börsen speien Bacchanalien,
Sekt überströmt errungene Siege,
Wollüstig Prickeln tanzt Geschehen
Um goldene Altäre. Und draußen?
Saht ihr das fahle Antlitz eurer Brüder?
Fühlt ihr die Leiber,
Klamm im abendlichen
Feuchten Frost?
Riecht ihr Verwesung Hauch?
Hört ihr die Schreie? frage ich.
Hört ihr den Ruf?
»Die Reihe ist an euch!
Wir angekettet an Kanonenrohre,
Ohnmächtige wir,
Wir schreien euch zu:
Ihr! seid uns Helfer!
» Ihr: seid die Brücke!! «
Hört ihr! Ich rufe Streik!
Wer weiter Rüstungswerkstatt speist,
Verrät den Bruder. Was sage ich: verrät?
Er tötet eignen Bruder.
Und Frauen ihr!
Kennt ihr Legende jener Weiber,
Die ewig fruchtlos,
Weil sie Waffen mitgeschmiedet?
Denkt eurer Männer draußen!
Ich rufe Streik!

Masse im Saal

Wir rufen Streik!
Wir rufen
Streik!
…..