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BISMARCK, Otto von



„Blut und Eisen“ rede

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– Es gebe Mitglieder des Nationalvereins, eines wegen der Gerechtigkeit seiner Forderungen zu Ansehen gelangten Vereins – hochachtbare Mitglieder, die alle stehenden Heere für überflüssig erklärten. Ja, wenn nun eine Volksvertretung diese Ansicht hätte! Müsse nicht eine Regierung das zurückweisen?! – Von der „Nüchternheit“ des preußischen Volkes sei die Rede gewesen. Ja, die große Selbständigkeit des einzelnen mache es schwierig in Preußen, mit der Verfassung zu regieren (oder die Verfassung zu konsolidieren?); in Frankreich sei das anders, da fehle diese individuelle Selbständigkeit. Eine Verfassungskrisis sei keine Schande, sondern eine Ehre. – Wir sind ferner vielleicht zu „gebildet“, um eine Verfassung zu tragen; wir sind zu kritisch; die Befähigung, Regierungsmaßregeln, Akte der Volksvertretung zu beurteilen, ist zu allgemein; im Lande gibt es eine Menge katilinarischer Existenzen, die ein großes Interesse an Umwälzungen haben. Das mag paradox klingen, beweist aber doch alles, wie schwer in Preußen verfassungsmäßiges Leben ist. – Man ist ferner zu empfindlich gegen Fehler der Regierung; als wenn es genug wäre, zu sagen, der und der Minister hat Fehler gemacht, als wenn man nicht selbst mitlitte? – Die öffentliche Meinung wechsle, die Presse sei nicht die öffentliche Meinung; man wisse, wie die Presse entstände; die Abgeordneten hätten die höhere Aufgabe, die Stimmung zu leiten, über ihr zu stehen. Wir haben zu heißes Blut, wir haben die Vorliebe, eine zu große Rüstung für unsern schmalen Leib zu tragen; nur sollen wir sie auch utilisieren. Nicht auf Preußens Liberalismus sieht Deutschland, sondern auf seine Macht; Bayern, Württemberg, Baden mögen dem Liberalismus indulgieren, darum wird ihnen doch keiner Preußens Rolle anweisen; Preußen muß seine Kraft zusammenfassen und zusammenhalten auf den günstigen Augenblick, der schon einige Male verpaßt ist; Preußens Grenzen nach den Wiener Verträgen sind zu einem gesunden Staatsleben nicht günstig; nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen – sondern durch Eisen und Blut . Die vorjährige Bewilligung sei erfolgt; aus welchen Gründen, sei gleichgültig; er suche aufrichtig den Weg der Verständigung: ob er ihn finde, hänge nicht allein von ihm ab. Man hätte lieber kein fait accompli machen sollen seitens des Abgeordnetenhauses. – Wenn kein Budget zustande komme, dann sei tabula rasa; die Verfassung biete keinen Ausweg, denn da stehe Interpretation gegen Interpretation; summum ius, summa iniuria; der Buchstabe tötet. Er freue sich, daß die Außerung des Referenten, wegen Möglichkeit eines anderen Beschlusses des Hauses infolge einer etwaigen Gesetzesvorlage, die Aussicht auf Verständigung lasse; er suche diese Brücke auch; wann sie gefunden werde, stehe dahin. – Das Zustandekommen eines Budgets in diesem Jahre sei der Zeit nach kaum möglich; wir seien ja in exzeptionellen Zuständen; das Prinzip der schleunigen Vorlegung des Budgets sei ja auch von der Regierung anerkannt; aber man sage, das sei schon oft versprochen und nicht gehalten; nun „Sie können doch uns als ehrlichen Leuten trauen.“ Die Interpellation, es sei verfassungswidrig, verweigerte Ausgaben zu machen, teile er nicht; zu jeder Interpretation sei Übereinstimmung der drei Faktoren nötig.

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