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LICHTENSTEIN, Alfred


Die Dämmerung

Ein dicker Junge spielt mit einem Teich.

Der Wind hat sich in einem Baum gefangen.

Der Himmel sieht verbummelt aus und bleich,

Als wäre ihm die Schminke ausgegangen.

Auf lange Krücken schief herabgebückt

Und schwatzend kriechen auf dem Feld zwei Lahme.

Ein blonder Dichter wird vielleicht verrückt.

Ein Pferdchen stolpert über eine Dame.

An einem Fenster klebt ein fetter Mann.

Ein Jüngling will ein weiches Weib besuchen.

Ein grauer Clown zieht sich die Stiefel an.

Ein Kinderwagen schreit und Hunde fluchen.


Abschied


(kurz vor der Abfahrt zum Kriegsschauplatz)


Vorm Sterben mache ich noch mein Gedicht.

Still, Kameraden, stört mich nicht.


Wir ziehn zum Krieg. Der Tod ist unser Kitt.

O, heulte mir doch die Geliebte nit.


Was liegt an mir. Ich gehe gerne ein.

Die Mutter weint. Man muß aus Eisen sein.


Die Sonne fällt zum Horizont hinab.

Bald wirft man mich ins milde Massengrab.


Am Himmel brennt das brave Abendrot.

Vielleicht bin ich in dreizehn Tagen tot.


Der Winter


Von einer Brücke schreit vergrämt ein Hund

Zum Himmel ... der wie alter grauer Stein

Auf fernen Häusern steht. Und wie ein Tau

Aus Teer liegt auf dem Schnee ein toter Fluß.


Drei Bäume, schwarzgefrorne Flammen, drohn

Am Ende aller Erde. Stechen scharf

Mit spitzen Messern in die harte Luft,

In der ein Vogelfetzen einsam hängt.


Ein paar Laternen waten zu der Stadt,

Erloschne Leichenkerzen. Und ein Fleck

Aus Menschen schrumpft zusammen und ist bald

Ertrunken in dem schmählich weißen Sumpf.