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BETHGE, Hans


(Das Lied der Erde)

Der Einsame im Herbst

Herbstnebel wallen bläulich überm See;
Vom Reif bezogen stehen alle Gräser;
Man meint, ein Künstler habe Staub von Jade
Über die feinen Blüten ausgestreut.

Der süße Duft der Blumen ist verflogen;
Ein kalter Wind beugt ihre Stengel nieder.
Bald werden die verwelkten, gold'nen Blätter
Der Lotosblüten auf dem Wasser zieh'n.

Mein Herz ist müde. Meine kleine Lampe
Erlosch mit Knistern, es gemahnt mich an den Schlaf.
Ich komm' zu dir, traute Ruhestätte!
Ja, gib mir Ruh', ich hab' Erquickung Not!

Ich weine viel in meinen Einsamkeiten.
Der Herbst in meinem Herzen währt zu lange.
Sonne der Liebe willst du nie mehr scheinen,
Um meine bittern Tränen mild aufzutrocknen?


nach QIAN, Qi


Von der Schönheit

Junge Mädchen,

Pflücken Lotosblumen an dem Uferrande.

Zwischen Blättern sitzen sie, und sammeln

Blüten, Blüten in den Schoß und rufen

Sich einander Neckereien zu.

Goldne Sonne webt um die Gestalten,

Spiegelt sie im blanken Wasser wider.

Ihre Kleider,

Ihre süßen Augen,

Und der Wind hebt kosend das Gewebe

Ihrer Ärmel auf, führt den Zauber

Ihrer Wohlgerüche durch die Luft.

Sieh, was tummeln sich für schöne Knaben

an dem Uferrand auf mutigen Rossen?

Zwischen dem Geäst der Trauerweiden

Traben sie einher.

Das Ross des Einen wiehert auf

und scheut und saust dahin

Und zerstampft die hingesunkenen Blüten

Und die schönste von den Jungfraun sendet

Lange Blicke ihm der Sorge nach.

Ihre stolze Haltung ist nur Lüge:

In dem Funkeln ihrer großen Augen,

Wehklagt die Erregung ihres Herzen

nach LI, Po


Der Abschied

Die Sonne scheidet hinter dem Gebirge.

In alle Täler steigt der Abend nieder

Mit seinen Schatten, die voll Kühlung sind.

O sieh! Wie eine Silberbarke schwebt

Der Mond am blauen Himmelssee herauf.

Ich spüre eines feinen Windes Weh’n

Hinter den dunklen Fichten!

Der Bach singt voller Wohllaut durch das Dunkel.

Die Blumen blassen im Dämmerschein.

Die Erde atmet voll von Ruh’ und Schlaf.

Alle Sehnsucht will nun träumen,

Die müden Menschen geh’n heimwärts,

Um im Schlaf vergeß’nes Glück

Und Jugend neu zu lernen!

Die Vögel hocken still in ihren Zweigen.

Die Welt schläft ein!

Es wehet kühl im Schatten meiner Fichten.

Ich stehe hier und harre meines Freundes;

Ich harre sein zum letzten Lebewohl.

Ich sehne mich, o Freund, an deiner Seite

Die Schönheit dieses Abends zu genießen.

Wo bleibst du? Du läßt mich lang allein!

Ich wandle auf und nieder mit meiner Laute

Auf Wegen, die von weichem Grase schwellen.

O Schönheit! O ewigen Liebens –, Lebens – trunk’ne Welt!

Er stieg vom Pferd und reichte ihm den Trunk

Des Abschieds dar. Er fragte ihn, wohin

Er führe und auch, warum es müßte sein.

Er sprach, seine Stimme war umflort: Du, mein Freund,

Mir war auf dieser Welt das Glück nicht hold!

Wohin ich geh’? Ich geh’, ich wand’re in die Berge.

Ich suche Ruhe für mein einsam Herz.

Ich wandle nach der Heimat! Meiner Stätte.

Ich werde niemals in die Ferne schweifen.

Still ist mein Herz und harret seiner Stunde!

Die liebe Erde allüberall blüht auf im Lenz und grünt

Aufs neu! Allüberall und ewig blauen licht die Fernen!

Ewig ... Ewig ...

Nach LI-BAI


Das Los des Menschen

Der Glut des Sommers folgt des Herbstes Kühle,

Dem Schneefeld folgt des Lenzes Blumenbeet;

Die Sonne hebt sich rosig in der Frühe,

Und rosig ist ihr Bildnis, wenn sie geht.

Die Bäche drängen in das Meer. Die Zeiten

Erneuen sich. Mit jedem Tagbeginn

Glänzt neu das Sonnenlicht, und unaufhörlich

Treibt neues Wasser durch die Ströme hin.

Der Mensch lebt einmal, – nimmer kehrt er wieder,

Sein Dasein ist ein Lufthauch, der zerfliesst;

Die Summe seines Lebens ist ein armer,

Verfallener Hügel, darauf Unkraut sprießt.


nach KUNG, Fu Tzu