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CLAUDIUS, Matthias


Der Mond ist aufgegangen


Die goldnen Sternlein prangen

Am Himmel hell und klar:

Der Wald steht schwarz und schweiget,

Und aus den Wiesen steiget

Der weiße Nebel wunderbar.


Wie ist die Welt so stille,

Und in der Dämmrung Hülle

So traulich und so hold!

Als eine stille Kammer,

Wo ihr des Tages Jammer

Verschlafen und vergessen sollt.


Seht ihr den Mond dort stehen?

Er ist nur halb zu sehen,

Und ist doch rund und schön.

So sind wohl manche Sachen,

Die wir getrost belachen,

Weil unsre Augen sie nicht sehn.


Wir stolze Menschenkinder

Sind eitel arme Sünder,

Und wissen gar nicht viel;

Wir spinnen Luftgespinste,

Und suchen viele Künste,

Und kommen weiter von dem Ziel.


Gott, laß uns dein Heil schauen,

Auf nichts vergänglichs trauen,

Nicht Eitelkeit uns freun!

Laß uns einfältig werden,

Und vor dir hier auf Erden

Wie Kinder fromm und fröhlich sein!


Wollst endlich sonder Grämen

Aus dieser Welt uns nehmen

Durch einen sanften Tod,

Und wenn du uns genommen,

Laß uns in Himmel kommen,

Du lieber treuer frommer Gott!


So legt euch denn, ihr Brüder,

In Gottes Namen nieder!

Kalt ist der Abendhauch.

Verschon' uns Gott mit Strafen,

Und laß uns ruhig schlafen,

Und unsern kranken Nachbar auch!


Kriegslied


’s ist Krieg! ’s ist Krieg!

O Gottes Engel wehre,

Und rede Du darein!

’s ist leider Krieg – und ich begehre,

Nicht schuld daran zu sein!


Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen

Und blutig, bleich und blaß,

Die Geister der Erschlagenen zu mir kämen,

Und vor mir weinten, was?


Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,

Verstümmelt und halb tot

Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten

In ihrer Todesnot?


Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,

So glücklich vor dem Krieg,

Nun alle elend, alle arme Leute,

Wehklagten über mich?


Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten

Freund, Freund und Feind ins Grab

Versammelten und mir zu Ehren krähten

Von einer Leich herab?


Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?

Die könnten mich nicht freun!

’s ist leider Krieg – und ich begehre,

Nicht schuld daran zu sein!


Phidile


Ich war erst sechzehn Sommer alt,

Unschuldig und nichts weiter,

Und kannte nichts als unsern Wald,

Als Blumen, Gras und Kräuter.


Da kam ein fremder Jüngling her;

Ich hatt ihn nicht verschrieben,

Und wußte nicht wohin noch her;

Der kam und sprach von Lieben.


Er hatte schönes langes Haar

Um seinen Nacken wehen;

Und einen Nacken, als das war,

Hab ich noch nie gesehen.


Sein Auge, himmelblau und klar!

Schien freundlich was zu flehen;

So blau und freundlich, als das war,

Hab ich noch keins gesehen.


Und sein Gesicht, wie Milch und Blut!

Ich habs nie so gesehen;

Auch, was er sagte, war sehr gut,

Nur konnt ich nichts verstehen.


Er ging mir allenthalben nach,

Und drückte mir die Hände

Und sagte immer O und Ach,

Und küßte sie behende.


Ich sah ihn einmal freundlich an

Und fragte, was er meinte;

Da fiel der junge schöne Mann

Mir um den Hals und weinte.


Das hatte niemand noch getan;

Doch wars mir nicht zuwider,

Und meine beiden Augen sahn

In meinen Busen nieder.


Ich sagt ihm nicht ein einzig Wort,

Als ob ichs übel nähme,

Kein einzigs, und - er flohe fort;

Wenn er doch wieder käme!


Die Liebe


Die Liebe hemmet nichts;

Sie kennt nicht Tür noch Riegel,

Und dringt durch alles sich;

Sie ist ohn Anbeginn, schlug ewig ihre Flügel,

Und schlägt sie ewiglich.


Abendlied

Der Mond ist aufgegangen,

die goldnen Sternlein prangen

am Himmel hell und klar;

der Wald steht schwarz und schweiget,

und aus den Wiesen steiget

der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille

und in der Dämmrung Hülle

so traulich und so hold!

Als eine stille Kammer,

wo ihr des Tages Jammer

verschlafen und vergessen sollt.

Sehr ihr den Mond dort stehen?

Er ist nur halb zu sehen

und ist doch rund und schön.

So sind wohl manche Sachen,

die wir getrost belachen,

weil unsre Augen sie nicht sehn.

Wir stolze Menschenkinder

sind eitel arme Sünder

und wissen gar nicht viel;

wir spinnen Luftgespinste

nd suchen viele Künste

und kommen weiter von dem Ziel.

Gott, laß uns Dein Heil schauen,

auf nichts Vergänglichs trauen,

nicht Eitelkeit uns freun!

Laß uns einfältig werden

und vor Dir hier auf Erden

wie Kinder fromm und fröhlich sein!

Wollst endlich sonder Grämen

aus dieser Welt uns nehmen

durch einen sanften Tod,

und wenn Du uns genommen,

laß uns in Himmel kommen,

Du, unser Herr und unser Gott!

So legt euch denn, ihr Brüder,

in Gottes Namen nieder!

Kalt ist der Abendhauch.

Verschon uns, Gott, mit Strafen;

und laß uns ruhig schlafen

und unsern kranken Nachbar auch!



Der Mensch

Empfangen und genähret

Vom Weibe wunderbar,

Kömmt er und sieht und höret

Und nimmt des Trugs nicht wahr;

Gelüstet und begehret

Und bringt sein Tränlein dar;

Verachtet und verehret,

Hat Freude und Gefahr;

Glaubt, zweifelt, wähnt und lehret,

Hält nichts und alles wahr;

Erbauet und zerstöret

Und quält sich immerdar;

Schläft, wachet, wächst und zehret;

Trägt braun und graues Haar.

Und alles dieses währet,

Wenns hoch kommt achtzig Jahr.

Dann legt er sich zu seinen Vätern nieder,

Und er kömmt nimmer wieder.



Der Tod und das Mädchen

Das Mädchen:


Vorüber! Ach vorüber!

Geh wilder Knochenmann!

Ich bin noch jung, geh Lieber!

Und rühre mich nicht an.


Der Tod:


Gib deine Hand, du schön und zart Gebild!

Bin Freund, und komme nicht, zu strafen:

Sei gutes Muts! ich bin nicht wild,

Sollst sanft in meinen Armen schlafen.


Wir pflügen, und wir streuen


Am Anfang war’s auf Erden noch finster, wüst und leer;

und sollt was sein und werden, mußt es woanders her.

So ist es zugegangen im Anfang, als Gott sprach;

und wie es angefangen, so geht’s noch diesen Tag.


Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn,

drum dankt ihm dankt, drum dankt ihm dankt

und hofft auf ihn.


Wir pflügen, und wir streuen den Samen auf das Land,

doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand:

der tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf

und träuft, wenn heim wir gehen, Wuchs und Gedeihen drauf

Refrain


Er sendet Tau und Regen und Sonn und Mondenschein

und wickelt seinen Segen gar zart und künstlich ein

und bringt ihn dann behende in unser Feld und Brot

es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott.

Refrain


Was nah ist und was ferne, von Gott kommt alles her,

der Strohhalm und die Sterne, das Sandkorn und das Meer.

Von ihm sind Büsch und Blätter und Korn und Obst von ihm

das schöne Frühlingswetter und Schnee und Ungestüm.

Refrain


Er läßt die Sonn aufgehen, er stellt des Mondes Lauf;

er läßt die Winde wehen und tut die Wolken auf.

Er schenkt uns soviel Freude, er macht uns frisch und rot;

er gibt den Kühen Weide und seinen Kindern Brot.

Refrain



Der Tod steht schon am Orte,

Der Tod steht schon am Orte,

Wo sich ein Leben regt.

Der Tod steht an der Pforte,

Wo man zu Grabe trägt.

Er geht im Leidgefolge

Ungesehen mit,

Wie er dabei gewesen

Im Leben Schritt für Schritt.

Zum König wie zum Bettler

Sagt er sein letztes Du

Und schließt mit stummen Händen

Die dunkle Pforte zu.

Und geht mit uns nachhause

Und ißt das Abendbrot

Und schweigt und weiß doch alles,

Der Herr der Welt, der Tod.



Die Sternseherin Lise


Ich sehe oft um Mitternacht,

Wenn ich mein Werk getan

Und niemand mehr im Hause wacht,

Die Stern' am Himmel an.


Sie gehn da, hin und her zerstreut

Als Lämmer auf der Flur;

In Rudeln auch, und aufgereiht

Wie Perlen an der Schnur.


Und funkeln alle weit und breit

Und funkeln rein und schön;

Ich seh’ die große Herrlichkeit

Und kann mich satt nicht sehn….


Dann saget unterm Himmelszelt

Mein Herz mir in der Brust:

“Es gibt was Bessers in der Welt

Als all ihr Schmerz und Lust.“


Ich werf mich auf mein Lager hin,

Und liege lange wach,

Und suche es in meinem Sinn:

Und sehne mich darnach.



Sterben und Auferstehn


Du Menschenkind, sieh um dich her...

Und weißt du eine Lehre,

Die größer und die tröstlicher

Für uns hienieden wäre? –

Dort, wo die Siegespalmen wehn,

Ist Sein nur, ist kein Werden,

Kein Sterben und kein Auferstehn,

Wie hier bei uns auf Erden.

Dort freun sie ewig ewig sich,

Ist ewig Licht und Friede,

Das Leben quillt dort mildiglich

Aus sich, und wird nicht müde.

Doch dieser Unterwelt ist nicht

Solch glorreich Los gegeben;

Hier ist ohn Finsternis kein Licht,

Und ohne Tod kein Leben.

Der Löwe liegt und fäult und schwellt –

Dann geht vom Fresser Speise;

Der Same in die Erde fällt

Und stirbt, – und keimt dann leise.

Und die Natur ein Spiegel ist;

Es wird darin vernommen:

Was deinem Geist du schuldig bist

Soll er zum Leben kommen.

Willst du wahrhaftig glücklich sein,

Auf festem Grunde bauen;

Mußt du den Dornenweg nicht scheu'n,

Der Rosenbahn nicht trauen.

Einst war ein großer Mann bedacht

Uns darin einzuweihen,

Und führte durch die lange Nacht

Das Volk zum Fest der Maien.

Drum spare dir viel Ungemach,

Du Menschenkind, und höre,

Und denke der Verleugnung nach,

Und jener großen Lehre.

In uns ist zweierlei Natur,

Doch ein Gesetz für beide;

Es geht durch Tod und Leiden nur

Der Weg zur wahren Freude.