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WECKER, Konstantin


Wenn der Sommer nicht mehr weit ist


Wenn der Sommer nicht mehr weit ist
Und der Himmel violett,

Weiß ich, daß das meine Zeit ist,

Weil die Welt dann wieder breit ist,

Satt und ungeheuer fett.


Wenn der Sommer nicht mehr weit ist

Und die Luft nach Erde schmeckt,

Ist's egal, ob man gescheit ist,

Wichtig ist, daß man bereit ist

Und sein Fleisch nicht mehr versteckt.


Und dann will ich, was ich tun will, endlich tun.

An Genuß bekommt man nämlich nie zu viel.

Nur man darf nicht träge sein und darf nicht ruhn,

Denn Genießen war noch nie ein leichtes Spíel.


Wenn der Sommer nicht mehr weit ist

Und der Himmel ein Opal,

Weiß ich daß das meine Zeit ist,

Weil die Welt dann wei ein Weib ist

Und die Lust schmeckt nicht mehr schal.


Wenn mein Ende nicht mehr weit ist,

Ist der Anfang schon gemacht.

Weil's dann keine Kleinigkeit ist,

Ob die Zeit verta'ne Zeit ist,

Die man mit sich zugebracht.


Und dann will ich was ich tun will, endlich tun.

An Genuß bekommt man nämlich nie zu viel.

Nur, man darf nicht träge sein und darf nicht ruh'n,

Denn Genießen war noch nie ein leichtes Spiel.


Zirkus

Der Zirkus steht in Flammen,

und seine Flittersterne züngeln grell.

Die Reiterinnen schrein, und ihre Wangen

sind straff wie Leder, das Gebell

der Saxophone ist fast tödlich.

Der Federstrauß der Pferde zittert.

Die Kindertränen schimmern rötlich,

der Clown wirkt weinerlich und sehr verbittert.

Und Bären tanzen angefettet.

Der Zauberer verzaubert sich und stirbt.

Die Seile reißen schon, und keiner rettet

das Mädchen in der Kuppel, es verdirbt

wie Fleisch, das viel zu lang am Haken hängt.

Die Löwen wittern schon das große Fressen,

ihr Fell ist räudig und riecht angesengt,

und ihre Zeit ist etwas kurz bemessen

da stürzen sie sich voll ins Fleisch der Menge.

Das Zeltdach fließt herab wie heißes Blut.

Man gruselt sich noch etwas im Gedränge

und ist zufrieden. Das Programm war gut.



Schlaflied


Schlaf ein, mein Kind, und sei nicht bang

und träum von stolzen Pferden

sie kennen schon den Übergang

und jagen mit Dir den Himmel entlang

die weißen Sternenherden.


Schlaf ein, mein Kind, und fürchte nicht

Gespenster und Dämonen

sie haben selber kein Gesicht

und scheuen Deines Herzens Licht

sie müssen Dich verschonen.


Schlaf ein, mein Kind, die Welt wird kahl

sie trägt schon Wintersachen

da hilft kein Mantel und kein Schal

es rettet sie aus ihrer Qual

nur noch Dein liebes Lachen.


Schlaf ein, mein Kind, weih Deinen Mund

nur jenen Melodien

die einen schweben lassen und

Dich selbst noch aus der Hölle Schlund

bis in den Himmel ziehen.


Schlaf ein, mein Kind, und sei nicht bang

und träum von stolzen Pferden

sie kennen schon den Übergang

und jagen mit Dir den Himmel entlang

die weißen Sternenherden.



Slaapliedje


Slaap zacht m'n kind, en wees niet bang

en droom van fiere paarden,

ze kennen al de overgang

en jagen met jou door de lucht langs

de blanke sterrenhaarden.


Slaap zacht m'n kind, en zwicht

niet voor geesten en demonen

ze hebben zelf geen gezicht

en mijden van je hart het licht,

bij jou mogen ze niet komen.


Slaap zacht m'n kind, de wereld is kaal,

hij draagt al winterkleren,

geen jas die helpt noch sjaal,

die kwelling kan nu eenmaal

je lieve lach niet deren.


Slaap zacht m'n kind, wijd je mond

alleen aan die gezangen

die je laten zweven en terstond

je tillen uit de hellegrond

om je in de hemel te ontvangen.


Slaap zacht m'n kind, en wees niet bang

en droom van fiere paarden

ze kennen al de overgang

en jagen met jou door de lucht langs

de blanke sterrenhaarden.


Vertaling Z. DE MEESTER