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OTTO, Rudolf



Das Heilige

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Heilig […] enthält aber, auch für unser Gefühl, einen deutlichen Überschuß den es hier zunächst zu besondern gilt […]. Das wovon wir reden und was wir versuchen wollen einigermaßen anzugeben, nämlich zu Gefühl zu bringen, lebt in allen Religionen als ihr eigentlich Innerstes und ohne es wären sie garnicht Religion […]. Ich bilde hierfür zunächst das Wort: das Numinöse, (wenn man omen ominös bilden kann, dann auch von numen numinös), und rede von einer eigentümlichen numinosen Deutungs- und Bewertungs- kategorie die allemal da eintritt wo jene angewandt, das heißt wo ein Objekt als numinoses vermeint worden ist. Da diese Kategorie vollkommen sui generis ist so ist sie wie jedes ursprüngliche und Grund-datum nicht definibel im strengen Sinne sondern nur erörterbar.

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Das Gefühl davon kann mit milder Flut das Gemüt durchziehen in der Form schwebender, ruhender Stimmung versunkener Andacht. Es kann so übergehen in eine kontinuierliche Gestimmtheit der Seele, die lange fortwährt und nachzittert, bis sie endlich abklingt und die Seele wieder im Profanen ist.

Es kann auch mit Stoßen und Zuckungen plötzlich aus der Seele hervorbrechen. Es kann zu seltsamen Aufgeregtheiten, zu Rausch, Verzückung und Ekstase führen.

Es hat seine wilden und dämonischen Formen. Es kann zu fast gespenstischem Grausen und Schauder herabsinken. Es hat seine rohen und barbarischen Vorstufen und Äußerungen und es hat seine Entwicklung ins Feine, Geläuterte und Verklärte. Es kann zu dem stillen demütigen Erzittern und Verstummen der Kreatur werden vor dem — ja wovor? Vor DEM, der Gegenwart eines unbeschreiblichen Mysteriums, das über allen Geschöpfen steht.

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