SILESIUS, Angelus



Cherubinischen Wandersmann

…..

Ich weiß, dass ohne mich Gott nicht einen Augenblick kann leben:

Werd ich zunicht, er muss von Not den Geist aufgeben.

Dass Gott so selig ist und lebet ohne Verlangen,

hat er sowohl von mir, als ich von ihm empfangen.

Gott ist das, was er ist, ich bin das, was ich bin.

Doch kennst du einen wohl, so kennst du mich und ihn

…..

Mensch, wo du deinen Geist schwingst über Ort und Zeit,

so kannst du jeden Blick sein in der Ewigkeit.

Wer Zeit nimmt ohne Zeit und Sorgen ohne Sorgen,

wem gestern war wie heut, und heute gilt wie morgen,

wer alles Gleiche schätzt, der tritt schon in der Zeit

in den gewünschten Stand der lieben Ewigkeit.

Ich selbst bin Ewigkeit, wenn ich die Zeit verlasse

und mich in Gott und Gott in mich zusammenfasse.

Da Gott die Welt erschuf, was schrieb man für ein Jahr?

Kein andres nicht, als das seins Urstands erstes war.

Weil Gott, der Ewige, die Welt schuf außer Zeit,

so ist's ja sonnenklar, dass sie von Ewigkeit.

Die Rose, welche hier dein äußeres Auge sieht,

sie hat von Ewigkeit in Gott also geblüht.

Eh ich noch etwas war, da war ich Gottes Leben.

Drum hat er auch für mich sich ganz und gar ergeben.

Die Ewigkeit weiß nichts von Jahren, Tagen, Stunden.

Ach, dass ich doch noch nicht den Mittelpunkt gefunden!

Vor Gott sind tausend Jahr wie ein vergangener Tag.

Darum ist gar kein Jahr bei ihm, wer's fassen mag.

Du selber machst die Zeit. Das Uhrwerk sind die Sinnen.

Hemmst du die Unruh nur, so ist die Zeit von hinnen.

Dort in der Ewigkeit geschieht alles zugleich,

Es ist kein Vor und Nach wie hier im Zeitenreich.

Man sagt, die Zeit ist schnell. Wer hat sie sehen fliegen?

Sie bleibt ja unverrückt im Weltbegriffe liegen.

Es ist kein Vor und Nach. Was morgen soll geschehen,

Hat Gott von Ewigkeit schon gesehen

Ich trage Gottes Bild. Wenn er sich will besehen,

So kann es nur in mir und wer mir gleicht, geschehen.

Was Gott in Ewigkeit begehren und wünschen kann,

Das schauet er in mir als seinem Gleichnis an.

Gott ist von Anbeginn der Bildner aller Dinge

Und auch ihr Muster selbst. Drum ist ja keins geringe.

…..

Eh Ich noch Ich nicht war, so war ich Gott in Gott;

drum kann ich's wieder sein, wenn ich nur mir bin tot.

Tod ist ein selig Ding; je kräftiger er ist,

je herrlicher das Leben wird erkiest.

Der Tod, aus welchem nicht ein neues Leben blühet,

der ist's den meine Seele aus allen Toden fliehet.

Ich glaube keinen Tod, sterb ich gleich alle Stunden,

so hab ich jedes Mal ein besser Leben gefunden.

Indem der weise Mann zu tausendmalen stirbt,

Er durch die Wahrheit selbst um tausend Leben wirbt.

Ich sterb und leb in Gott: Will ich ewig in ihm leben,

so muss ich ewig auch für ihn den Geist aufgeben.

Ich sag, es stirbt nichts; nur dass ein ander Leben,

auch selbst das schmerzliche, wird durch den Tod gegeben.

Ich sag, weil allein der Tod mich machet frei,

dass er das beste Ding von allen Dingen so.

Nichts ist, das dich bewegt, du selber bist das Rad,

Dass aus sich selber läuft und keine Ruhe hat.


…..

Ach, dass ich dich so spät erkennt,

Du hochgelobte Schönheit, du.

Und dich nicht eher mein genennt,

Du höchstes Gut und wahre Ruh.

Es tut mir leid und bin betrübt,

dass ich so spät geliebt.

Ich will dich lieben, meine Stärke,

Ich will dich lieben, meine Zier,

Ich will dich lieben mit dem Werke

und immerwährender Begier:

Ich will dich lieben, schönstes Licht,

Bis mir das Herze bricht.“


Osterjubel


Jetzt ist der Himmel aufgetan,

jetzt hat er wahres Licht!

Jetzt schauet Gott uns wieder an

mit gnädigem Gesicht.

Jetzt scheinet die Sonne

der ewigen Wonne!

Jetzt lachen die Felder,

jetzt jauchzen die Wälder,

jetzt ist man voller Fröhlichkeit.


Jetzt ist die Welt voll Herrlichkeit

und voller Ruhm und Preis.

Jetzt ist die wahre, goldne Zeit

wie einst im Paradeis.

Drum lasset uns singen

mit Jauchzen und Klingen,

frohlocken und freuen;

Gott in der Höh sei Lob und Ehr.


Jesus, du Heiland aller Welt,

dir dank ich Tag und Nacht,

daß du dich hast zu uns gesellt

und diesen Jubel bracht.

Du hast uns befreit,

die Erde erneuet,

den Himmel gesenkt,

dich selbst uns geschenet,

dir, Jesus, sei Ehre und Preis.


Nicht alles Gute ist gut ...


Nicht alles Gut ist gut;

Mensch, überred dich nicht,


Was nicht im Lieböl brennt,

das ist ein falsches Licht.


Der Glaube allein ist ein hohles Faß ...


Der Glaub ohne Lieb allein

(wie ich mich wohl besinne),


Ist wie ein hohles Faß,

es klingt und hat nichts drinne.



Die Majestät des Menschen ...


Ich bin (o Majestät!)

ein Sohn der Ewigkeit,


Ein König von Natur,

ein Thron der Herrlichkeit.



Der weiseste Mensch ...


Kein Mensch kann weiser sein,

als der das ewge Gut


Vor allem andern liebt

und sucht mit ganzem Mut.



Die Liebe ist zerschmelzend ...


Die Liebe schmilzt das Herz

und machts wie Wachs zerfließen,


Erfahr es, wo du willst

die süße Wirkung wissen.



Nichts ist süßer als Liebe ...


Es ist doch keine Lust

und keine Seligkeit,


Die übertreffen kann

der Liebe Süßigkeit.



Das edelste Gebet ...


Das edelste Gebet

ist, wenn der Beter sich


In das, vor dem er kniet,

verwandelt inniglich.



Des Paradeis auf Erden ...


Du suchst das Paradeis

und wünschest hinzukommen,


Wo du von allem Leid

und Unfried bist entnommen.


Befriedige dein Herz

und mach es rein und weiß,


So bist du selbst noch hier

dasselbe Paradeis.



Der Allerverliebteste, der Allerheiligste ...


Wer ist der Heiligste?

der mehr verliebet ist:


Die Liebe machts, daß man

für heilig wird erkiest.



Vom Lieben ...


Die Liebe dieser Welt,

die endt sich mit Betrüben,


Drum soll mein Herz allein

die ewge Schönheit lieben.



Irdischer Seraphin ...


Du bist ein Seraphin

noch hier auf dieser Erden,


Wo du dein Herze läßt

zu lauter Liebe werden.



Das seraphinische Leben ...


Aus Liebe gehn und stehn,

Lieb atmen, reden, singen


Heißt seine Lebenszeit

wie Seraphim verbringen.



Das geistliche Küchelein ...


Mein Leib ist eine Schal,

in dem ein Küchelein


Vom Geist der Ewigkeit

will ausgebrütet sein.



Die Rose 1


Die Rose, welche hier

dein äußres Auge sieht,


Die hat von Ewigkeit

in Gott also geblüht.



Der Himmel ist in dir ...


Halt an, wo laufst du hin,

der Himmel ist in dir;


Suchst du Gott anderswo,

du fehlst ihn für und für.



Du selbst mußt Sonne sein

Ich selbst muß Sonne sein,

ich muß mit meinen Strahlen

Das farbenlose Meer

der ganzen Gottheit malen.



Der beste Freund und Feind


Mein bester Freund, mein Leib, der ist mein ärgster Feind;

Er bindt und hält mich auf, wie gut ers immer meint.

Ich hass und lieb ihn auch, und wenn es kommt zum Scheiden,

So reiss ich mich von ihm mit Freuden und mit Leiden.


Ein Narr sucht vielerlei


Der Weise sucht nur eins

und zwar das höchste Gut.

Ein Narr nach vielerlei

und Kleinem streben tut.


Die Unruh kommt von dir

Nichts ist das dich bewegt

Du selber bist das Rad

das aus sich selbsten lauft

Und keine Ruhe hat.


Die Welt

Die Welt ist mir zu eng,

der Himmel ist zu klein:

Wo wird denn noch ein Raum

für meine Seele sein?


Die Rose 2

Die Rose ist ohne Warum.

Sie blühet, weil sie blühet.

Sie achtet nicht ihrer selbst,

fragt nicht, ob man sie siehet.


Dein Kerker bist du selbst

Die Welt, die hält dich nicht, du selber bist die Welt,

Die dich in dir mit dir so stark gefangen hält



Die Gleichheit schaut Gott

Wem Nichts wie Alles ist und Alles wie ein Nichts,

Der wird gewürdiget des Liebsten Angesichts.



Ein Abgrund ruft dem andern


Der Abgrund meines Geists ruft immer mit Geschrei

Den Abgrund Gottes an: Sag, welcher tiefer sei?



Du mußt, was Gott ist, sein


Soll ich mein letztes End und ersten Anfang finden,

So muß ich mich in Gott und Gott in mir ergründen

Und werden das, was er: ich muß ein Schein im Schein,

Ich muß ein Wort im Wort, ein Gott in Gotte sein.



Das geistliche Losungswort ...


Das Losungswort ist Lieb;

hast dus nicht eingenommen,


So darfst du nimmermehr

ans Himmels Grenzen kommen.



Des Weisen Verrichtung ...


Ein Narr ist viel bemüht;

des Weisen ganzes Tun,


Das zehnmal edeler,

ist Lieben, Schauen, Ruhn.



Der guldene Begriff ...


Der guldene Begriff,

durch den man alles kann,


Ist Liebe; liebe nur,

so hast dus kurz getan.



Das Schnellste ...


Die Lieb ists schnellste Ding,

sie kann für sich allein


In einem Augenblick

im höchsten Himmel sein.



Weisheit ohne Liebe ist nichts ...


Mensch, wo du weise bist

und liebst nicht Gott dabei,


So sag ich, daß ein Narr

dir vorzuziehen sei.



Die Schönheit kommt von Liebe ...


Die Schönheit kommt von Liebe;

auch Gottes Angesicht


Hat seine Lieblichkeit

von ihr, sonst glänzt es nicht.



Die Würdigkeit kommt von Liebe ...


Ach, lauf doch nicht nach Witz

und Weisheit über Meer;


Der Seelen Würdigkeit

kommt bloß von Liebe her.



Die Liebe ist Feuer und Wasser ...


Die Lieb ist Flut und Glut;

kann sie dein Herz empfinden,


So löscht sie Gottes Zorn

und brennt hinweg die Sünden.



Das allersüßeste Leben ...


Der Himmel auf der Welt,

das allersüßste Leben


Ist, der Beschaulichkeit

aus Liebe sein ergeben.



Die Liebe ists höchste Gut ...


Es ist vom höchsten Gut

viel Redens und Geschrei,


Ich schwöre, daß dies Gut

allein die Liebe sei.



Der Liebe ist alles untertan ...


Die Lieb beherrschet alls;

auch die Dreieinigkeit


Ist selbst ihr untertan

gewest von Ewigkeit.



Die seraphische Liebe ...


Die Liebe, welche man

seraphisch pflegt zu nennen,


kann man kaum äußerlich,

weil sie so still ist, kennen.



Die neue und alte Liebe ...


Die Liebe, wenn sie neu,

braust wie ein junger Wein;


Je mehr sie alt und klar,

je stiller wird sie sein.