Download document

KRAMER, Theodor


Andre, die das Land so sehr nicht liebten

Andre, die das Land so sehr nicht liebten

War'n von Anfang an gewillt zu geh'n

Ihnen – manche sind schon fort – ist besser

Ich doch müsste mit dem eig'nen Messer

Meine Wurzeln aus der Erde dreh'n!


Keine Nacht hab' ich seither geschlafen

Und es ist mir mehr als weh zumut –

Viele Wochen sind seither verstrichen

Alle Kraft ist längst aus mir gewichen

Und ich fühl', dass ich daran verblut'!


Und doch müsst ich mich von hinnen heben –

Sei's auch nur zu bleiben, was ich war

Nimmer kann ich, wo ich bin, gedeihen

Draußen braucht ich wahrlich nicht zu schreien

Denn mein leises Wort war immer wahr!


Seiner wär ich wie in alten Tagen

Sicher; schluchzend wider mich gewandt

Hätt' ich Tag und Nacht mich nur zu heißen –

Mich samt meinen Wurzeln auszureißen

Und zu setzen in ein andres Land!


Andre, die das Land so sehr nicht liebten

War'n von Anfang an gewillt zu geh'n

Ihnen – manche sind schon fort – ist besser

Ich doch müsste mit dem eig'nen Messer

Meine Wurzeln aus der Erde dreh'n!


Nicht fürs Süße, nur fürs Scharfe


Nicht fürs Süße, nur fürs Scharfe

und fürs Bittre bin ich da

Schlag, ihr Leute, nicht die Harfe,

spiel die Ziehharmonika.


Leer, verfilzt ist meine Tasche

Und durchlöchert ist mein Hut

Daß ich leb, das Herz aus Asche,

macht: aus Branntwein ist mein Blut.


Ließ das Salz der Tränen Spuren,

wären meine Gucker blind;

Meine Liebsten sind die Huren,

mir Gesellen Staub und Wind.


Das Falsett, das möcht umarmen,

doch das Ganze, trägt der Baß;

Hab Erbarmen, brauch Erbarmen,

doch zuinnerst haust der Haß.


Weiß zuviel und möcht doch träumen

Wie der Echs im Sonnenschein;

Leeres Brausen in den Bäumen,

braus für mich, nick träg ich ein!


Darf nicht ruhn, muß Straßen weiter;

Denn bald bin ich nicht mehr da,

Und es spielt die Stadt kein zweiter

so die Ziehharmonika.



Es ist schön


Es ist schön, wenn du spät im verfinsterten Raum

ins geglättete Bett zu mir kriechst

und mich anrührst mit deinem kaum sichtbaren Flaum

und nach Seife und Pfefferminz riechst.

Deine Haut ist noch kühl, deine Hände sind schwer;

und dein Mund gibt sich zögernd und tut

bei allem, als ob es das erste mal wär,

und das, liebe Liebste ist gut.


Es ist schön wenn die Brust sich dir hebt und sich senkt

und mich leise dein Atem weht an

und dein Leib sich mir nähert und freundlich sich schenkt,

weil er einfach nicht anders mehr kann.

Die Nacht ist noch lang und um uns alles still,

in den Ohren rauscht leise das Blut;

und was du willst, will ich, und du tust, was ich will,

und das, liebe Liebste, ist gut.


Es ist schön, wenn im Fenstergeviert sich der Schein

des Tages erhebt und mich weckt,

und die Hand läßt die Rundung der Schultern nicht sein,

bis der Druck meiner Finger dich schreckt.

Süß und weh zugleich ist, was ich tu oder laß,

wenn dein Arm mich umfängt, uns zumut,

und ich küß vom Gesicht dir das salzige Naß,

und das, liebe Liebste ist gut.


Lied am Bahndamm


Süß das schwarze Gleis entlang

duftet die Kamille

Mückenschwall und Vogelsang

sind verstummt, die Grille

regt allein sich schrill im Sand

und uns beide, Hand in Hand

überkommt die Stille


Rote Tropfen streut der Mohn

über Hand und Stätte

auf dem Stockgleis der Waggon

ist heut unser Bette

wo man uns zwei schlafen läßt

und schon hält dein Haar mich fest

als ob's Finger hätte


In der Tür das Blau wird satt

Sterne schaukeln trunken

wenn auf Spelt und Schaufelblatt

sprühen jähe Funken

und ein Zug vorüberfährt

bleib ich ganz dir zugekehrt

ganz in dich versunken

ganz in dich versunken

ganz in dich versunken


Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan


Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan.

Ich darf schon lange in keiner Zeitung schreiben,

die Mutter darf noch in der Wohnung bleiben.

Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan.


Der Greisler schneidet mir den Schinken an

und dankt mir, wenn ich ihn bezahle, kindlich;

wovon ich leben werd, ist unerfindlich.

Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan.


Ich fahr wie früher mit der Straßenbahn

und gehe unbehelligt durch die Gassen;

ich weiß bloß nicht, ob sie mich gehen lassen.

Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan.


Es öffnet sich mir in kein Land die Bahn,

ich kann mich nicht von selbst von hinnen heben:

ich habe einfach keinen Raum zum Leben.

Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan.