KRAMER, Theodor


Der heimkehrende Burgenländer


Es baumelt der Ranzen am Stecken,

es ist noch ein Stündlein zu gehn;

der Seller beginnt sich zu flecken,

im Sand hält sich nur noch der Kren.

Schön ist’s, ins Dorf einzubiegen,

zu streifen den Mais unterm Tor,

zu schlachten im Vorhaus die Ziegen,

zu schneiden im Schneefeld das Rohr.


Es klimpert das Silber im Beutel:

dir, Vater, für deinen Tabak,

dir bring ich ein schweinernes Häutel,

dir, Söhnchen, ein Spielzeug im Sack.

Bei dir, Weib, will endlos ich liegen

wie alle die Jahre zuvor,

will schlachten im Vorhaus die Ziegen,

will schneiden im Schneefeld das Rohr.


Brennt hell mir im Ofen ein Feuer

und steht die Polenta gerührt?

Für euch sieben Monate heuer

hab fern ich die Kelle geführt.

Was vorging im Haus, soll nicht wiegen,

Streif, Weib, ich den Mais unterm Tor.

Wer schlachtet im Vorhaus die Ziegen,

wer schneidet im Schneefeld das Rohr?!


Die Frau des Bürgenländers


Der Schilcher hat die längste Zeit gegoren,

gebündelt schwingt der Mais, der Phlox verdorrt,

der letzte Seller ist im Grund erfroren.,

die Wildgans schreit und zieht nach Süden fort;

sieb ich den Mohn, so kommen mir Gelüste,

ich steh am Abend lange vor dem Haus …

Wann kommst du heim und beisst mich in die Brüste,

wann treibt du, Mann, mir meine Mucken aus?

Die grossen Scheite hiess ich Vater schlagen,

er möcht am liebsten nichts mehr Rechtes tun
und redet nur von seinem schwachenMagen,

ich aber schlacht nicht eigens ihm ein Huhn;

er murmelt viel, als ob er etwas wüsste,

der Bub klebt in der letzten Zeit am Haus …

Wann kommst du heim und beisst mich in die Brüste,

wann treibt du, Mann, mir meine Mucken aus?

Legst du zu meinem Milchgeld ein paar Gulden,

so kaufen wir ein kleines Schwein davon,

das Rohr wär schon zu schneiden in den Mulden,

gemahlen für den Fladen ist der Mohn;

der Fuhrmann, der mich hintern Hoftor küsste,

Er kam mir nicht ein einzigs Mal ins Haus …

Wann kommst du heim und beisst mich in die Brüste,

wann treibt du, Mann, mir meine Mucken aus?…



Immer


Immer werd ich nun verlassen sein,

immer werd ich hinken, Fuß und Bein,

immer wird die Kolik mich befallen,

immer wird das Blut im Ohr mir hallen,

immer werden mir die Zähne fehlen,

immer wird mein schiefer Mund mich schmälen,

immer werd ich mich beim Mahl besudeln,

immer werd ich, statt zu sprechen, strudeln,

immer werd ich um die Stellung bangen,

immer wird nach Frauen mich verlangen,

immer werd ich schreiben, süß und herb,

immer werden ich schreiben, bis ich sterb.


Andre, die das Land so sehr nicht liebten

Andre, die das Land so sehr nicht liebten

War'n von Anfang an gewillt zu geh'n

Ihnen – manche sind schon fort – ist besser

Ich doch müsste mit dem eig'nen Messer

Meine Wurzeln aus der Erde dreh'n!


Keine Nacht hab' ich seither geschlafen

Und es ist mir mehr als weh zumut –

Viele Wochen sind seither verstrichen

Alle Kraft ist längst aus mir gewichen

Und ich fühl', dass ich daran verblut'!


Und doch müsst ich mich von hinnen heben –

Sei's auch nur zu bleiben, was ich war

Nimmer kann ich, wo ich bin, gedeihen

Draußen braucht ich wahrlich nicht zu schreien

Denn mein leises Wort war immer wahr!


Seiner wär ich wie in alten Tagen

Sicher; schluchzend wider mich gewandt

Hätt' ich Tag und Nacht mich nur zu heißen –

Mich samt meinen Wurzeln auszureißen

Und zu setzen in ein andres Land!


Andre, die das Land so sehr nicht liebten

War'n von Anfang an gewillt zu geh'n

Ihnen – manche sind schon fort – ist besser

Ich doch müsste mit dem eig'nen Messer

Meine Wurzeln aus der Erde dreh'n!


Nicht fürs Süße, nur fürs Scharfe


Nicht fürs Süße, nur fürs Scharfe

und fürs Bittre bin ich da

Schlag, ihr Leute, nicht die Harfe,

spiel die Ziehharmonika.


Leer, verfilzt ist meine Tasche

Und durchlöchert ist mein Hut

Daß ich leb, das Herz aus Asche,

macht: aus Branntwein ist mein Blut.


Ließ das Salz der Tränen Spuren,

wären meine Gucker blind;

Meine Liebsten sind die Huren,

mir Gesellen Staub und Wind.


Das Falsett, das möcht umarmen,

doch das Ganze, trägt der Baß;

Hab Erbarmen, brauch Erbarmen,

doch zuinnerst haust der Haß.


Weiß zuviel und möcht doch träumen

Wie der Echs im Sonnenschein;

Leeres Brausen in den Bäumen,

braus für mich, nick träg ich ein!


Darf nicht ruhn, muß Straßen weiter;

Denn bald bin ich nicht mehr da,

Und es spielt die Stadt kein zweiter

so die Ziehharmonika.



Es ist schön


Es ist schön, wenn du spät im verfinsterten Raum

ins geglättete Bett zu mir kriechst

und mich anrührst mit deinem kaum sichtbaren Flaum

und nach Seife und Pfefferminz riechst.

Deine Haut ist noch kühl, deine Hände sind schwer;

und dein Mund gibt sich zögernd und tut

bei allem, als ob es das erste mal wär,

und das, liebe Liebste ist gut.


Es ist schön wenn die Brust sich dir hebt und sich senkt

und mich leise dein Atem weht an

und dein Leib sich mir nähert und freundlich sich schenkt,

weil er einfach nicht anders mehr kann.

Die Nacht ist noch lang und um uns alles still,

in den Ohren rauscht leise das Blut;

und was du willst, will ich, und du tust, was ich will,

und das, liebe Liebste, ist gut.


Es ist schön, wenn im Fenstergeviert sich der Schein

des Tages erhebt und mich weckt,

und die Hand läßt die Rundung der Schultern nicht sein,

bis der Druck meiner Finger dich schreckt.

Süß und weh zugleich ist, was ich tu oder laß,

wenn dein Arm mich umfängt, uns zumut,

und ich küß vom Gesicht dir das salzige Naß,

und das, liebe Liebste ist gut.


Lied am Bahndamm


Süß das schwarze Gleis entlang

duftet die Kamille

Mückenschwall und Vogelsang

sind verstummt, die Grille

regt allein sich schrill im Sand

und uns beide, Hand in Hand

überkommt die Stille


Rote Tropfen streut der Mohn

über Hand und Stätte

auf dem Stockgleis der Waggon

ist heut unser Bette

wo man uns zwei schlafen läßt

und schon hält dein Haar mich fest

als ob's Finger hätte


In der Tür das Blau wird satt

Sterne schaukeln trunken

wenn auf Spelt und Schaufelblatt

sprühen jähe Funken

und ein Zug vorüberfährt

bleib ich ganz dir zugekehrt

ganz in dich versunken

ganz in dich versunken

ganz in dich versunken


Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan


Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan.

Ich darf schon lange in keiner Zeitung schreiben,

die Mutter darf noch in der Wohnung bleiben.

Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan.


Der Greisler schneidet mir den Schinken an

und dankt mir, wenn ich ihn bezahle, kindlich;

wovon ich leben werd, ist unerfindlich.

Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan.


Ich fahr wie früher mit der Straßenbahn

und gehe unbehelligt durch die Gassen;

ich weiß bloß nicht, ob sie mich gehen lassen.

Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan.


Es öffnet sich mir in kein Land die Bahn,

ich kann mich nicht von selbst von hinnen heben:

ich habe einfach keinen Raum zum Leben.

Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan.