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HEYM, Georg


Die Dampfer auf der Havel

Der Dampfer weißer Leib. Die Kiele schlagen

Die Seen weit in Furchen, rot wie Blut.

Ein großes Abendrot. In seiner Glut

Zittert Musik, vom Wind davongetragen.


Nun drängt das Ufer an der Schiffe Wände

Die langsam unter dunklem Laubdach ziehn.

Kastanien schütten all ihr weißes Blühn

Wie Silberregen aus in Kinderhände.


Und wieder weit hinaus. Wo Dämmrung legt

Den schwarzen Kranz um einen Inselwald,

Und in das Röhricht dumpf die Woge schlägt.


Im leeren Westen, der wie Mondlicht kalt,

Bleibt noch der Rauch, wie matt und kaum bewegt

Der Toten Zug in fahle Himmel wallt.


Die Tote im Wasser

Die Masten ragen an dem grauen Wall
Wie ein verbrannter Wald ins frühe Rot,
So schwarz wie Schlacke. Wo das Wasser tot
Zu Speichern stiert, die morsch und im Verfall.


Dumpf tönt der Schall, da wiederkehrt die Flut,
Den Kai entlang. Der Stadtnacht Spülicht treibt
Wie eine weiße Haut im Strom und reibt
Sich an dem Dampfer, der im Docke ruht.


Staub, Obst, Papier, in einer dicken Schicht,
So treibt der Kot aus seinen Röhren ganz.
Ein weißes Tanzkleid kommt, in fettem Glanz
Ein nackter Hals und bleiweiß ein Gesicht.


Die Leiche wälzt sich ganz heraus. Es bläht
Das Kleid sich wie ein weißes Schiff im Wind.
Die toten Augen starren groß und blind
Zum Himmel, der voll rosa Wolken steht.


Das lila Wasser bebt von kleiner Welle.
- Der Wasserratten Fährte, die bemannen
Das weiße Schiff. Nun treibt es stolz von dannen,
Voll grauer Köpfe und voll schwarzer Felle.


Die Tote segelt froh hinaus, gerissen
Von Wind und Flut. Ihr dicker Bauch entragt
Dem Wasser groß, zerhöhlt und fast zernagt.
Wie eine Grotte dröhnt er von den Bissen.


Sie treibt ins Meer. Ihr salutiert Neptun
Von einem Wrack, da sie das Meer verschlingt,
Darinnen sie zur grünen Tiefe sinkt,
Im Arm der feisten Kraken auszuruhn.



Die Horizonte werden immer bleicher


Die Horizonte werden immer bleicher
Die hohen Wälder werden sehr geschüttelt.
Und selten nur wird noch der Wolkenhimme
Von einem kurzen Vogelruf zerschnitten.

Die Wetterfahne knarret auf den Turm,
Das Dorf kriecht enger um die kleine Kirche.
Und draussen liegt das Land im Wintersturm.

Die Sterbenden, die lange schon gelitten,
Strecken sich aus mit ihren Geierhänden
Und kehren blind sich nach den schwarzen Wänden


Alle Landschaften haben


Alle Landschaften haben

Sich mit Blau erfüllt.

Alle Büsche und Bäume des Stromes,

Der weit in den Norden schwillt.

 
Leichte Geschwader, Wolken,

Weiße Segel dicht,

Die Gestade des Himmels dahinter

Zergehen in Wind und Licht.

 
Wenn die Abende sinken

Und wir schlafen ein,

Gehen die Träume, die schönen,

Mit leichten Füßen herein.

 
Zymbeln lassen sie klingen

In den Händen licht.

Manche Flüstern und halten

Kerzen vor ihr Gesicht.



Der Gott der Stadt


Auf einem Häuserblocke sitzt er breit.

Die Winde lagern schwarz um seine Stirn.

Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit

Die letzten Häuser in das Land verirrn.


om Abend glänzt der rote Bauch dem Baal,

Die großen Städte knien um ihn her.

Der Kirchenglocken ungeheure Zahl

Wogt auf zu ihm aus schwarzer Türme Meer.


Wie Korybanten - Tanz dröhnt die Musik

Der Millionen durch die Straßen laut.

Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik

Ziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch blaut.


Das Wetter schwelt in seinen Augenbrauen.

Der dunkle Abend wird in Nacht betäubt.

Die Stürme flattern, die wie Geier schauen

Von seinem Haupthaar, das im Zorne sträubt.


Er streckt ins Dunkel seine Fleischerfaust.

Er schüttelt sie. Ein Meer von Feuer jagt

Durch eine Straße. Und der Glutqualm braust

Und frisst sie auf, bis spät der Morgen tagt.


Fröhlichkeit


Es rauscht und saust von großen Karussellen

Wie Sonnen flammend in den Nachmittagen.

Und tausend Leute sehen mit Behagen,

Wie sich Kamele drehn und Rosse schnelle,


Die weißen Schwäne und die Elefanzen,

Und einer hebt vor Freude schon das Bein

Und grunzt im schwarzen Bauche wie ein Schwein,

Und alle Tiere fangen an zu tanzen.


Doch nebenan, im Himmelslicht, dem hellen,

Gehen die Maurer rund, wie Läuse klein,

Hoch ums Gerüst, ein feuriger Verein,

Und schlagen Takt mit ihren Mauerkellen.


Beteerte Fässer rollten von den Schwellen


Beteerte Fässer rollten von den Schwellen

Der dunklen Speicher auf die hohen Kähne.

Die Schlepper zogen an. Des Rauches Mähne

Hing rußig nieder auf die öligen Wellen.


Zwei Dampfer kamen mit Musikkapellen.

Den Schornstein kappten sie am Brückenbogen.

Rauch, Ruß, Gestank lag auf den schmutzigen Wogen

Der Gerbereien mit den braunen Fellen.


In allen Brücken, drunter uns die Zille

Hindurchgebracht, ertönten die Signale

Gleichwie in Trommeln wachsend in der Stille.


Wir ließen los und trieben im Kanale

An Gärten langsam hin. In dem Idylle

Sahn wir der Riesenschlote Nachtfanale.


Deine Wimpern, die langen...

Deine Wimpern, die langen,

Deiner Augen dunkele Wasser,

Laß mich tauchen darein,

Laß mich zur Tiefe gehn.


Steigt der Bergmann zum Schacht

Und schwankt seine trübe Lampe

Über der Erze Tor,

Hoch an der Schattenwand,


Sieh, ich steige hinab,

In deinem Schoß zu vergessen,

Fern, was von oben dröhnt,

Helle und Qual und Tag.


An den Feldern verwächst,

Wo der Wind steht, trunken vom Korn,

Hoher Dorn, hoch und krank

Gegen das Himmelsblau.


Gib mir die Hand,

Wir wollen einander verwachsen,

Einem Wind Beute,

Einsamer Vögel Flug,


Hören im Sommer

Die Orgel der matten Gewitter,

Baden in Herbsteslicht,

Am Ufer des blauen Tags.


Manchmal wollen wir stehn

Am Rand des dunkelen Brunnens,

Tief in die Stille zu sehn,

Unsere Liebe zu suchen.


Oder wir treten hinaus

Vom Schatten der goldenen Wälder,

Groß in ein Abendrot,

Das dir berührt sanft die Stirn.


Göttliche Trauer,

Schweige der ewigen Liebe.

Hebe den Krug herauf,

Trinke den Schlaf.


Einmal am Ende zu stehen,

Wo Meer in gelblichen Flecken

Leise schwimmt schon herein

Zu der September Bucht.


Oben zu ruhn

Im Hause der durstigen Blumen,

Über die Felsen hinab

Singt und zittert der Wind.


Doch von der Pappel,

Die ragt im Ewigen Blauen,

Fällt schon ein braunes Blatt,

Ruht auf dem Nacken dir aus.


Der Krieg I

Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,

Aufgestanden unten aus Gewölben tief.

In der Dämmrung steht er, groß und unerkannt,

Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.

In den Abendlärm der Städte fällt es weit,

Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit,

Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.

Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß.

In den Gassen faßt es ihre Schulter leicht.

Eine Frage. Keine Antwort. Ein Gesicht erbleicht.

In der Ferne wimmert ein Geläute dünn

Und die Bärte zittern um ihr spitzes Kinn.

Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an

Und er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an.

Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er schwenkt,

Drum von tausend Schädeln laute Kette hängt.

Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut,

Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut.

Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt,

Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt.

Über runder Mauern blauem Flammenschwall

Steht er, über schwarzer Gassen Waffenschall.

Über Toren, wo die Wächter liegen quer,

Über Brücken, die von Bergen Toter schwer.

In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein

Einen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein.

Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt,

Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt.

Und mit tausend roten Zipfelmützen weit

Sind die finstren Ebnen flackend überstreut,

Und was unten auf den Straßen wimmelt hin und her,

Fegt er in die Feuerhaufen, daß die Flamme brenne mehr.

Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald,

Gelbe Fledermäuse zackig in das Laub gekrallt.

Seine Stange haut er wie ein Köhlerknecht

In die Bäume, daß das Feuer brause recht.

Eine große Stadt versank in gelbem Rauch,

Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.

Aber riesig über glühnden Trümmern steht

Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht,

Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,

In des toten Dunkels kalten Wüstenein,

Daß er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,

Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.


Die Irren

Der Mond tritt aus der gelben Wolkenwand.

Die Irren hängen an den Gitterstäben,

Wie große Spinnen, die an Mauern kleben.

Entlang den Gartenzaun fährt ihre Hand.

In offnen Sälen sieht man Tänzer schweben.

Der Ball der Irren ist es. Plötzlich schreit

Der Wahnsinn auf. Das Brüllen pflanzt sich weit,

Daß alle Mauern von dem Lärme beben.

Mit dem er eben über Hume gesprochen,

Den Arzt ergreift ein Irrer mit Gewalt.

Er liegt im Blut. Sein Schädel ist zebrochen.

Der Haufe Irrer schaut vergnügt. Doch bald

Enthuschen sie, da fern die Peitsche knallt,

Den Mäusen gleich, die in die Erde krochen.


Der Tod der Liebenden im Meer


Wir werden schlafen bei den Toten drunten

Im Schattenland. Wir werden einsam wohnen

In ewgem Schlafe in den Tiefen unten

In den verborgnen Städten der Dämonen.


Die Einsamkeit wird uns die Lider schließen,

Wir hören nichts in unsrer Hallen Räumen.

Die Fische nur, die durch die Fenster schießen,

Und leisen Wind in den Korallenbäumen.


Des Meeres Seele flüstert an dem Kahn.

Des Abends schattige Winde sind die Fergen

Pfadloser Öde, wo der Ozean

Sich weithin türmt zu dunklen Wasserbergen.


In ihren Schluchten schweift ein Kormoran.

Darunter schwankt das Meer hinab zum Grunde.

Es dreht sich um. Und aus der glatten Bahn

Ragt Wrack auf Wrack bis tief im Riesenschlunde.


Auf morschen Rahen sitzen die Matrosen.

Gerippe, weiß, die ein der Maelstrom zog.

Zuschauern gleich in der Arena Tosen,

So schaun sie in den bodenlosen Trog.


Der Maelstrom wandert nahe an dem Bord

Des Bootes hin. Es schwankt. Es wehrt sich noch.

Da schießt es ab. In weiße Tiefe fort.

Ein Punkt, versinkt es in den Trichters Loch.


Wie eine Spinne schließt das Meer den Mund.

Und schillert weiß. Der Horizont nur bebt

Wie eines Adlers Flug, der auf dem Sund

In blauem Abend hoch und einsam schwebt.


Die Vorstadt

In ihrem Viertel, in dem Gassenkot,

Wo sich der große Mond durch Dünste drängt,

Und sinkend an dem niedern Himmel hängt,

Ein ungeheurer Schädel, weiß und tot,


Da sitzen sie die warme Sommernacht

Vor ihrer Höhlen schwarzer Unterwelt,

Im Lumpenzeuge, das vor Staub zerfällt

Und aufgeblähte Leiber sehen macht.


Hier klafft ein Maul, das zahnlos auf sich reißt.

Hier hebt sich zweier Arme schwarzer Stumpf.

Ein Irrer lallt die hohlen Lieder dumpf,

Wo hockt ein Greis, des Schädel Aussatz weißt.


Es spielen Kinder, denen früh man brach

Die Gliederchen. Sie springen an den Krücken

Wie Flöhe weit und humpeln voll Entzücken

Um einen Pfennig einem Fremden nach.


Aus einem Keller kommt ein Fischgeruch,

Wo Bettler starren auf die Gräten böse.

Sie füttern einen Blinden mit Gekröse.

Er speit es auf das schwarze Hemdentuch.


Bei alten Weibern löschen ihre Lust

Die Greise unten, trüb im Lampenschimmer,

Aus morschen Wiegen schallt das Schreien immer

Der magren Kinder nach der welken Brust.


Ein Blinder dreht auf schwarzem, grossern Bette

Den Leierkasten zu der Carmagnole,

Die tanzt ein Lahmer mit verbundener Sohle.

Hell klappert in der Hand die Kastagnette.


Uraltes Volk schwankt aus den tiefen Löchern,

An ihre Stirn Laternen vorgebunden.

Bergmännern gleich, die alten Vagabunden.

Um einen Stock die Hânde, dürr und knöchern.


Auf Morgen geht's. Die hellen Glöckchen wimmern

Zur Armesündermette durch die Nacht.

Ein Tor geht auf. In seinem Dunkel schimmern

Eunuchenköpfe, faltig und verwacht.


Vor steilen Stufen schwankt des Wirtes Fahne,

Ein Totenkopf mit zwei gekreuzten Knochen.

Man sieht die Schläfer, wo sie gebrochen

Um sich herum die höllischen Arkane.


Am Mauertor, in Krüppel e itelkeit

Blät sich ein Zwerg in rotem Seidenrocke,

Er schaut hinauf zur grünen Himmelsglocke,

Wo lautlos ziehn die Meteore weit.


Ophelia

I

Im Haar ein Nest von jungen Wasserratten,
Und die beringten Hände auf der Flut
Wie Flossen, also treibt sie durch den Schatten
Des großen Urwalds, der im Wasser ruht.

Die letzte Sonne, die im Dunkel irrt,
Versenkt sich tief in ihres Hirnes Schrein.
Warum sie starb? Warum sie so allein
Im Wasser treibt, das Farn und Kraut verwirrt?

Im dichten Röhricht steht der Wind. Er scheucht
Wie ein Hand die Fledermäuse auf.
Mit dunklem Fittich, von dem Wasser feucht
Stehn sie wie Rauch im dunklen Wasserlauf,

Wie Nachtgewölk. Ein langer, weißer Aal
Schlüpft über ihre Brust. Ein Glühwurm scheint
Auf ihrer Stirn. Und eine Weide weint
Das Laub auf sie und ihre stumme Qual.

II

Korn. Saaten. Und des Mittags roter Schweiß.
Der Felder gelbe Winde schlafen still.
Sie kommt, ein Vogel, der entschlafen will.
Der Schwäne Fittich überdacht sie weiß.

Die blauen Lider schatten sanft herab.
Und bei der Sensen blanken Melodien
Träumt sie von eines Kusses Karmoisin
Den ewigen Traum in ihrem ewigen Grab.

Vorbei, vorbei. Wo an das Ufer dröhnt
Der Schall der Städte. Wo durch Dämme zwingt
Der weiße Strom. Der Widerhall erklingt
Mit weitem Echo. Wo herunter tönt

Hall voller Straßen. Glocken und Geläut.
Maschinenkreischen. Kampf. Wo westlich droht
In blinden Scheiben dumpfes Abendrot,
In dem ein Kran mit Riesenarmen dräut,

Mit schwarzer Stirn, ein mächtiger Tyrann,
Ein Moloch, drum die schwarzen Knechte knien.
Last schwerer Brücken, die darüber ziehn
Wie Ketten auf dem Strom, und harter Bann.

Unsichtbar schwimmt sie in der Flut Geleit,
Doch wo sie treibt, jagt weit der Menschenschwarm
Mit großem Fittich auf ein dunkler Harm,
Der schattet über beide Ufer breit.

Vorbei, vorbei. Da sich dem Dunkel weiht
Der westlich hohe Tag des Sommers spät.
Wo in dem Dunkelgrün der Wiesen steht
Des fernen Abends zarte Müdigkeit.

Der Strom trägt weit sie fort, die untertaucht,
Durch manchen Winters trauervollen Port.
Die Zeit hinab. Durch Ewigkeiten fort,
Davon der Horizont wie Feuer raucht.