FALLADA, Hans



Kleiner Mann – was nun?

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Ein junger Mensch kommt herein [...] Er knurrt: "'n Abend", nimmt von dem Gast keinerlei Notiz und zieht Jacke und Weste aus, dann das Hemd. Pinneberg sieht es mit steigender Verwunderung.

"Überstunden gemacht?", fragt der Alte.

Karl Mörschel knurrt nur etwas.

"Lass doch jetzt die Scheuerei, Karl", sagt Frau Mörschel, "komm essen."

Aber Karl lässt schon das Wasser am Ausguss laufen und fängt an, sich sehr intensiv zu waschen. Bis zu den Hüften ist er nackt. Pinneberg geniert sich etwas, Lämmchens wegen. Aber die scheint nichts dabei zu finden, es ist ihr wohl selbstverständlich.

Pinneberg ist vieles nicht selbstverständlich. Die hässlichen Steingutteller mit den schwärzlichen Anschlagstellen, die halb kalten Kartoffelpuffer, die nach Zwiebeln schmecken, die saure Gurke, das laue Flaschenbier, das nur für die Männer dasteht, dazu diese trostlose Küche, der waschende Karl …

Karl setzt sich an den Tisch, sagt brummig: "Nanu, Bier …"

"Das ist der Bräutigam von Emma", erklärt Frau Mörschel, "sie wollen bald heiraten."

"Hat sie doch einen abgekriegt", sagt Karl. "Na ja, einen Bourgeois. Ein Prolet ist ihr nicht fein genug."

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Jeder stirbt für sich allein

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Da reißt ihm die Frau den Brief aus der Hand. Ihre Stimmung ist umgeschlagen, zornig reißt sie das Briefblatt in Fetzen, in Fetzchen, in Schnitzelchen, und dabei spricht sie ihm überstürzt ins Gesicht: »Was willst du den Dreck auch noch lesen, diese gemeinen Lügen, die sie allen schreiben? Dass er den Heldentod gestorben ist für seinen Führer und für sein Volk? Dass er ein Muster von ’nem Soldaten und Kameraden abgab? Das willst du dir von denen erzählen las sen, wo wir doch beide wissen, dass Ottochen am liebsten an seinen Radios rumgebastelt hat, und weinen tat er, als er zu den Soldaten musste! Wie oft hat er mir in seiner Rekrutenzeit gesagt, dass er lieber seine ganze rechte Hand hergäbe, bloß um von denen loszukommen! Und jetzt ein Muster von Soldat und Heldentod! Lügen, alles Lügen! Aber das habt ihr angerichtet mit euerm elenden Krieg, du und dein Führer!

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Aber sie sagt hitzig: »Wozu bist du denn der Mann im Haus und bestimmst alles, und alles muss nach deinem Kopf gehen, und wenn ich nur einen Verschlag für die Winter kartoffeln im Keller haben will: Er muss sein, wie du willst, nicht wie ich will. Und in einer so wichtigen Sache hast du falsch bestimmt? Aber du bist ein Leisetreter, nur deine Ruhe willst du haben und bloß nicht auffallen. Du hast getan, was sie alle taten, und wenn sie geschrien haben: ›Führer befiehl, wir folgen!‹, so bist du wie ein Hammel hinter hergerannt. Und wir haben wieder hinter dir herlaufen müssen! Aber nun ist mein Ottochen tot, und kein Führer der Welt und auch du nicht bringen ihn mir wieder!«

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