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BÄCHLER, Wolfgang



Erwartung


Die Schiffe fahren ohne mich aus.

Ich bleibe auf den Landungsstegen zurück,

umzingelt von Möwen.


Sie öffnen die Schwingen

wie Fenster,

durch die ich das Meer

mit anderen Augen sehe.


Langsam entfaltet der Himmel

ein mächtiges Segel

über dem Steg.

In der Abendbrise

beginnt die Fahrt

auch für mich.



Die Erde bebt noch


Die Erde bebt noch von den Stiefeltritten.

Die Wiesen grünen wieder Jahr für Jahr.

Die Qualen bleiben, die wir einst erlitten,

ins Antlitz, in das Wesen eingeschnitten.

In unseren Träumen lebt noch oft , was war.


Das Blut versickerte, das wir vergossen.

Die Narben brennen noch und sind noch rot.

Die Tränen trockneten, die um uns fl ossen.

In Lust und Fluch und Lächeln eingeschlossen

begleitet uns, vertraut für immer, nun der Tod.


Die Städte bröckeln noch in grauen Nächten.

Der Wind weht Asche in den Blütenstaub

und das Geröchel der Erstickten aus den Schächten.

Doch auf den Märkten stehen schon die Selbstgerechten

und schreien, schreien ihre Ohren taub.


Die Sonne leuchtet wieder wie in Kindertagen.

Die Schatten fallen tief in uns hinein.

Sie überdunkeln unser helles Fragen.

Und auf den Hügeln, wo die Kreuze ragen,

wächst säfteschwer ein herber neuer Wein.



Depression


I.


Nun schliessen sich wieder die Wege,

auf denen ich unterwegs war.

Es bleibt keine Frist mehr,

verloren zu gehen.


Die Erde entzieht sich meinen Schritten.

Ich sinke durch Sumpf auf eine Wolke,

die sich in keinen Himmel mehr hebt.


Ich höre nur noch das Gerausch

meiner Schritte,

die nicht mehr vorwärtskommen.

Ich steige hinunter, ich stapfe,

ein Schatten im Schatten.


II.


Ich habe das Tischtuch zerschnitten,

den Tisch zerbrochen,

der für mich gedeckt war,

aus Angst, zu essen, zu trinken.


Ich habe das Feuer zertreten,

das für mich geschürt war,

um nicht mit mir warm zu werden.


Ich habe den Schlaf zerschnitten

mit den Messern meiner Gedanken

an Schuld und Versagen und Reue,

aus Angst vor den Träumen.


Nun wache ich

zwischen den Scherben und Asche

im Kalten allein.

Nur noch die Sohlen brennen

und zischen im Tau,

der sie löscht.