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GRYPHIUS, Andreas


Einsamkeit


In dieser Einsamkeit, der mehr denn öden Wüsten,

Gestreckt auf wildes Kraut, an die bemooste See:

Beschau ich jenes Tal und dieser Felsen Höh′ ,

Auf welchem Eulen nur und stille Vögel nisten.


Hier, fern von dem Palast; weit von des Pöbels Lüsten,

Betracht′ ich: wie der Mensch in Eitelkeit vergeh′ ,

Wie, auf nicht festem Grund all unser Hoffen steh′ ,

Wie die vor Abend schmähn, die vor dem Tag uns grüßten.


Die Höll′ , der rauhe Wald, der Totenkopf, der Stein,

Den auch die Zeit auffrisst, die abgezehrten Bein′

Entwerfen in dem Mut unzählige Gedanken.


Der Mauern alter Graus, dies unbebaute Land

Ist schön und fruchtbar mir, der eigentlich erkannt,

dass alles, ohn′ ein′ Geist, den Gott selbst hält, muss wanken.


Menschliches Elend


Was sind wir Menschen doch! Ein Wohnhaus grimmer Schmerzen.
Ein Ball des falschen Glücks, ein Irrlicht dieser Zeit,
Ein Schauplatz herber Angst, besetzt mit scharfem Leid.
Ein bald verschmelzter Schnee und abgebrannte Kerzen.


Dies Leben fleucht davon wie ein Geschwätz und Scherzen.
Die vor uns abgelegt des schwachen Leibes Kleid
Und in das Totenbuch der großen Sterblichkeit
Längst eingeschrieben sind, sind uns aus Sinn und Herzen.


Gleich wie ein eitel Traum leicht aus der Acht hinfällt
Und wie ein Strom verscheußt, den keine Macht aufhält,
So muß auch unser Nam, Lob, Ehr und Ruhm verschwinden.
Was itzund Atem holt, muß mit der Luft entfliehn;


Was nach uns kommen wird, wird uns in Grab nachziehn.
Was sag ich? wir vergehn, wie Rauch von starken Winden.



Abend


Der schnelle Tag ist hin / die Nacht schwingt ihre Fahn /

Und führt die Sternen auff. Der Menschen müde Scharen

Verlassen feld und werck / Wo Thier und Vögel waren

Trauert itzt die Einsamkeit. Wie ist die zeit verthan!

 
Der port naht mehr und mehr sich / zu der glieder Kahn.

Gleich wie diß licht verfiel / so wird in wenig Jahren

Ich / du / und was man hat / und was man siht / hinfahren.

Diß Leben kömmt mir vor alß eine renne bahn.


Laß höchster Gott mich doch nicht auff dem Laufplatz gleiten

Laß mich nicht ach / nicht pracht / nicht luft / nicht angst verleiten.

Dein ewig heller glantz sei von und neben mir /

 
Laß / wenn der müde Leib entschläfft / die Seele wachen /

Und wenn der letzte Tag wird mit mir abend machen /

So reiß mich auß dem thal der Finsternuß zu dir.


Ebenbild unsers Lebens


Der Mensch, das Spiel der Zeit, spielt, weil er allhie lebt,

Im Schauplatz dieser Welt, er sitzt und doch nicht feste.

Der steigt und jener fällt, der suchet die Paläste

Und der ein schlechtes Dach, der herrscht und jener webt.


Was gestern war, ist hin, was itzt das Glück erhebt,

Wird morgen untergehn. Die vorhin grüne Äste

Sind nunmehr dürr und tot. Wir Armen sind nur Gäste,

Ob den' ein scharfes Schwert an zarter Seide schwebt.


Wir sind zwar gleich an Fleisch, doch nicht von gleichem Stande

Der trägt ein Purpurkleid und jener gräbt im Sande,

Bis nach entraubtem Schmuck der Tod uns gleiche macht.


Spielt denn dies ernste Spiel, weil es die Zeit noch leidet,

Und lernt, daß, wenn man vom Bankett des Lebens scheidet,

Kron, Weisheit, Stärk und Gut sei ein geborgter Pracht.


An sich selbst


Mir grauet vor mir selbst; mir zittern alle Glieder,

Wenn ich die Lipp und Nas und beider Augen Kluft,

Die blind vom Wachen sind, des Atems schwere Luft

Betracht und die nun schon erstorbnen Augen-Lider.


Die Zunge, schwarz vom Brand, fällt mit den Worten nieder

Und lallt ich weiß nicht was; die müde Seele ruft

Dem großen Tröster zu; das Fleisch ruft nach der Gruft;

Die Ärzte lassen mich; die Schmerzen kommen wieder.


Mein Körper ist nicht mehr als Adern, Fell und Bein.

Das Sitzen ist mein Tod, das Liegen meine Pein.

Die Schenkel haben selbst nun Träger wohl vonnöten.


Was ist der hohe Ruhm, und Jugend, Ehr und Kunst?

Wenn diese Stunde kommt, wird alles Rauch und Dunst,

Und eine Not muß uns mit allem Vorsatz töten.


Tränen des Vaterlandes

Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!

Der frecher Völker Schar, die rasende Posaun,

Das vom Blut fette Schwert, die donnernde Karthaun

Hat aller Schweiß und Fleiß und Vorrat aufgezehret.


Die Türme stehn in Glut, die Kirch ist umgekehret,

Das Rathaus liegt im Graus, die Starken sind zerhaun,

Die Jungfraun sind geschänd't, und wo wir hin nur schaun,

Ist Feuer, Pest und Tod, der Herz und Geist durchfähret.


Hier durch die Schanz und Stadt rinnt allzeit frisches Blut.

Dreimal sind's schon sechs Jahr, als unsrer Ströme Flut,

Von Leichen fast verstopft, sich langsam fortgedrungen.


Doch schweig' ich noch von dem, was ärger als der Tod,

Was grimmer denn die Pest und Glut und Hungersnot:

Daß auch der Seelen Schatz so vielen abgezwungen.


Es ist alles eitel

zu Prediger 1,2

Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reist jener morgen ein:
Wo jetzund Städte stehn, wird eine Wiese sein
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden:

Was jetzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was jetzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles dies, was wir für köstlich achten,

Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesenblum, die man nicht wieder find't.
Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten!


An die Welt

Mein oft bestürmtes Schiff, der grimmen Winde Spiel,

Der frechen Wellen Ball, das schier die Flut getrennet,

Das über Klipp' auf Klipp' und Schaum und Sand gerennet,

Kommt vor der zeit an' Port, den meine Seele will.

Oft, wenn uns schwarze Nacht im Mittag überfiel,

Hat der geschwinde Blitz die Segel schier verbrennet!

Wie oft hab' ich den Wind und Nord und Süd verkennet!

Wie schadhaft ist der Mast, Steu'rruder, Schwert und Kiel.

Steig aus, du müder Geist! Steig aus! Wir sind am Lande!

Was graut dir für dem Port? Jetzt wirst du aller Bande

Und Angst und herber Pein und schwerer Schmerzen los.

Ade, verfluchte Welt. Du See voll rauher Stürme:

Glück zu, mein Vaterland, das stete Ruh' im Schirme

Und Schutz und Frieden hält, du ewiglichtes Schloß!


Betrachtung der Zeit


Mein sind die Jahre nicht die mir die Zeit genommen,
Mein sind die Jahre nicht die etwa möchten kommen.
Der Augenblick ist mein und nehm' ich den in acht,
So ist der mein der Jahr und Ewigkeit gemacht.


Vanitas! Vanitatum Vanitas!


Die Herrlichkeit der Erden

muß Rauch und Aschen werden,

kein Fels, kein Erz kann stehn.

Dies, was uns kann ergetzen,

was wir für ewig schätzen,

wird als ein leichter Traum vergehn.


Was sind doch alle Sachen,

die uns hier eitel machen

als schlechte Nichtigkeit?

Was ist des Menschen Leben,

der immer um muß schweben,

als eine Phantasie der Zeit?


Es hilft kein weises Wissen.

Wir werden hingerissen

ohn einen Unterscheid.

Was nützt der Schlösser Menge?

Dem hier die Welt zu enge,

dem wird ein enges Grab zu weit.


Was pocht man auf die Throne,

da keine Macht noch Krone

kann unvergänglich sein?

Es mag vom Totenreien

kein Szepter Dich befreien,

kein Purpur, Gold, noch edler Stein.


Wie eine Rose blühet,

wenn man die Sonne siehet

begrüßen diese Welt,

die, eh der Tag sich neiget,

eh sich der Abend zeiget,

verwelkt und unversehens abfällt,


so wachsen wir auf Erden

und hoffen, groß zu werden

und schmerz- und sorgenfrei,

doch eh wir zugenommen

und recht zur Blüte kommen

bricht uns der Todes Sturm entzwei.


Wir rechnen Jahr auf Jahre,

indessen wird die Bahre

uns für die Tür gebracht;

drauf müssen wir von hinnen,

und eh wir uns besinnen,

der Erden sagen gute Nacht.


Wie viel sind schon vergangen!

Wie viel liebreicher Wangen

sind diesen Tag erblaßt,

die lange Rechnung machten

und nicht einmal bedachten,

daß ihn ihr Recht so kurz verfaßt.


Auf, Herz! Wach und bedenke,

daß dieser Zeit Geschenke

den Augenblick nur dein!

Was du zuvor genossen,

ist als ein Strom verschossen.

Was künftig - wessen wird es sein?