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BRECHT, Bertolt


Die Lösung


Nach dem Aufstand des 17. Juni

Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbands

In der Stalinallee Flugblätter verteilen

Auf denen zu lesen war, daß das Volk

Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe

Und es nur durch verdoppelte Arbeit

zurückerobern könne. Wäre es da

Nicht doch einfacher, die Regierung

Löste das Volk auf und

Wählte ein anderes?


Und was bekam des Soldaten Weib?

Und was bekam des Soldaten Weib?

Language: German (Deutsch)

Und was bekam des Soldaten Weib

aus der alten Hauptstadt Prag?

Aus Prag bekam sie die Stöckelschuh,

einen Gruß und dazu die Stöckelschuh

das bekam sie aus der Stadt Prag.


Und was bekam des Soldaten Weib

aus Oslo über dem Sund?

Aus Oslo bekam sie das Kräglein aus Pelz,

hoffentlich gefällt's, das Kräglein aus Pelz,

das bekam sie aus Oslo am Sund.


Und was bekam des Soldaten Weib

aus dem reichen Amsterdam?

Aus Amsterdam bekam sie den Hut

und er steht ihr gut,

der holländische Hut

den bekam sie aus Amsterdam.


Und was bekam des Soldaten Weib

aus Brüssel im belgischen Land?

Aus Brüssel bekam sie die seltenen Spitzen,

ach, das zu besitzen, die belgischen Spitzen,

die bekam sie aus belgischem Land.


Und was bekam des Soldaten Weib

aus der Lichterstadt Paris?

Aus Paris bekam sie das seidene Kleid.

zu der Nachbarin Neid das seidene Kleid

das bekam sie aus Paris.


Und was bekam des Soldaten Weib

aus den südlichen Bukarest?

Aus Bukarest bekam sie das Hemd

so bunt und so fremd,

das rumänische Hemd,

das bekam sie aus Bukarest.


Und was bekam des Soldaten Weib

aus dem weiten Russenland?

Aus Russenland bekam

Sie den Witwenschleier,

zu der Totenfeider den Witwenschleier,

das bekam sie aus Russenland.


Seeräuber-Jenny (Die Dreigroschenoper: Seeräuber-Jenny)


Meine herren heute sehen sich mich gläser abwaschen und ich mache das bett für jeden.
Und sie geben mir ein penny und ich bedanke mich schnell .
Und sie sehen meine lumpen und das lumpige hotel.
Und sie wissen nicht mit wem sie reden.
Aber ein es abends wird geschrei sein am hafen .
Und man fragt: was ist das für ein geschrei?!
Und man wird mich lächeln sehen.
Bei meinen.
Gläsern und man sagt: was lächelt die dabei?!
Und ein schiff mit acht segeln und mit fünfzig kanonen wird liegen am kai.
Und man sagt: geh wisch deine gläser mein kind.
Und man reicht mir den penny hin.
Und der penny wird genommen und das bett wird gemacht und es wird keiner mehr drin schlafen in dieser nacht.
Und sie wissen immernoch nicht wer ich bin 2×
Aber eines abends wird getös sein am hafen.
Und man fragt: was ist das für ein getös?!
Und man wird mich stehen sehen hinterm fenster.
Und man sagt?!
Was lächelt die so bös?
Und das schiff mit acht segeln und mit fünfzig kanonen wird beschießen die stadt.
Und es werden kommen hundert gen mittag an land.
Und werden in den schatten treten und fangen einen jeglichen aus jeglicher tür.
Und bringen ihn in ketten und bringen vor mir und fragen: welchen sollen wir töten?
Und an diesem mittag wird es still sein am hafen.
Wenn man fragt wer wohl sterben muss.
Ind dann werden sie mich sagen hören alle!
Und wenn dann der kopf fällt sag ichs hoppla!
Und das schiff mit acht segeln und mich 50 kanonen.
Wird entschwinden mit mir!



Die Liebenden


Seht jene Kraniche in großem Bogen!

Die Wolken, welche ihnen beigegeben

Zogen mit ihnen schon als sie entflogen


Aus einem Leben in ein anderes Leben.

In gleicher Höhe und mit gleicher Eile

Scheinen sie alle beide nur daneben.


Daß so der Kranich mit der Wolke teile

Den schönen Himmel, den sie kurz befliegen

Daß also keines länger hier verweile


Und keines anderes sehe als das Wiegen

Des andern in dem Wind, den beide spüren

Die jetzt im Fluge beieinander liegen:


So mag der Wind sie in das Nichts entführen.

Wenn sie nur nicht vergehen und sich bleiben

So lange kann sie beide nichts berühren


So lange kann man sie von jedem Ort vertreiben

Wo Regen drohen oder Schüsse schallen.

So unter Sonn und Monds verschiedenen Scheiben


Fliegen sie hin, einander ganz verfallen.

Wohin ihr? – Nirgend hin.

Von wem davon? – Von allen.

Ihr fragt, wie lange sind sie schon beisammen?

Seit kurzem. – Und wann werden sie sich trennen? – Bald.


So scheint die Liebe Liebenden ein Halt.


Gezeichnete geschlechter

Lange bevor über uns die bomben erschienen

Waren unse Städte schon

Unbewohnbar. Den Unrat

Schwemmte uns keine

Kanalisation aus.

Lange bevor wir gefallen in ziellosen Schlachten

Gehend noch durch die Städte, die dann noch standen

Waren schon unsere Frauen

Witwen uns und die Kinder uns Waisen.

Lange bevor uns in Gruben geworfen die selber Gezeichneten

Waren wir freundlos. Das, was der Kalk uns

Wegfrass, waren Gesichter nicht mehr.


Das Lied von der Moldau

Am Grunde der Moldau wandern die Steine

Es liegen drei Kaiser begraben in Prag.

Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine.

Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.

Es wechseln die Zeiten. Die riesigen Pläne

Der Mächtigen kommen am Ende zum Halt.

Und gehn sie einher auch wie blutige Hähne

Es wechseln die Zeiten, da hilft kein Gewalt.

Am Grunde der Moldau wandern die Steine

Es liegen drei Kaiser begraben in Prag.

Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine.

Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.


Liebeslied I

Als ich nachher von dir ging

An dem großen Heute

Sah ich, als ich sehn anfing

Lauter lustige Leute

Und seit jener Abendstund

Weißt schon, die ich meine

Hab ich einen schönren Mund

Und geschicktere Beine

Grüner ist, seit ich so fühl

Baum und Strauch und Wiese

Und das Wasser schöner kühl

Wenn ichs auf mich gieße.


Böser Morgen

Die Silberpappel, eine ortsbekannte Schönheit

Heut eine alte Vettel. Der See

eine Lache Abwaschwasser, nicht rühren!

Die Fuchsien unter dem Löwenmaul billig und eitel.

Warum?

Heut nacht im Traum sah ich Finger, auf mich deutend

Wie auf einen Aussätzigen. Sie waren zerarbeitet und

Sie waren gebrochen.

Unwissende! schrie ich

Schuldbewußt.


Fragen eines lesenden Arbeiters

Wer baute das siebentorige Theben?

In den Büchern stehen die Namen von Königen.

Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?

Und das mehrmals zerstörte Babylon

Wer baute es so viele Male auf?

In welchen Häusern des goldstrahlenden Limas wohnten die Bauleute?

Wohin gingen an dem Abend, wo die Chinesische Mauer fertig war die Maurer?

Das große Rom ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie?

Über wen triumphierten die Cäsaren?

Hatte das vielbesungene Byzanz nur Paläste für seine Bewohner?

Selbst in dem sagenhaften Atlantis brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang

Die Ersaufenden nach ihren Sklaven.

Der junge Alexander eroberte Indien.

Er allein?

Cäsar schlug die Gallier.

Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?

Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte untergegangen war. Weinte sonst niemand?

Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg.
Wer siegte außer ihm?

Jede Seite ein Sieg.

Wer kochte den Siegesschmaus?

Alle zehn Jahre ein großer Mann.

Wer bezahlte die Spesen?

So viele Berichte. So viele Fragen


Deutschland

Mögen andere von ihrer Schande sprechen,
ich spreche von der meinen.

O Deutschland, bleiche Mutter!
Wie sitzest du besudelt
Unter den Völkertn.
Unter den Befleckten
Fällst du auf.

Von deinen Söhnen der ärmste
Liegt erschlagen.
Als sein Hunger groß war
Haben deine anderen Söhne
Die Hand gegen ihn erhoben.
Das ist ruchbar geworden.

mit ihren so erhobenen Händen
Erhoben gegn ihren Bruder
Gehen sie jetzt frech vor dir herum
Und lachen in dein Gesicht.
Das weiß man.

In deinem Hause
Wird laut gebrüllt, was Lüge ist.
Aber die Wahrheit
Muß schweigen.
Ist es so?

Warum preisen dich ringsum die Unterdrücker, aber
Die Unterdrückten beschuldigen dich?
Die Ausgebeuteten
Zeigen mit Fingern auf dich, aber
Die Ausbeuter loben das System
Das in deinem Hause ersonnen wurde!

Und dabei sehen dich alle
Den Zipfe deines Rockes verbergen, der blutig ist
Vom Blut deines
Besten Sohnes.

Hörend die Reden, die aus deinem Hause dringen, lacht man.
Aber wer dich sieht, der greift nach dem Messer
Wie beim Anblick einer Räuberin.

O Deutschland, bleiche Mutter!
Wie haben deine Söhne dich zugerichtet
Daß du unter den Völkern sitzest
Ein Gespött oder eine Furcht!


Vom armen B.B.

Ich, Bertolt Brecht, bin aus den schwarzen Wäldern.
Meine Mutter trug mich in die Städte hinein,
Als ich in ihrem Leibe lag. Und die Kälte der Wälder
Wird in mir bis zu meinem Absterben sein.

In der Asphaltstadt bin ich daheim. Von allem Anfang
Versehen mit jedem Sterbsakrament:
Mit Zeitungen. Und Tabak. Und Branntwein.
Misstrauisch und faul und zufrieden am Ende.

Ich bin zu den Leuten freundlich. Ich setze
Einen steifen Hut auf nach ihrem Brauch.
Ich sage: es sind ganz besonders riechende Tiere,
Und ich sage: es macht nichts, ich bin es auch.

In meine leeren Schaukelstühle vormittags
Setze ich mir mitunter ein paar Frauen,
Und ich betrachte sie sorglos und sage ihnen:
In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen.

Gegen Abend versammle ich um mich Männer,
Wir reden uns damit "Gentleman" an.
Sie haben ihre Füße auf meinen Tischen
Und sagen: Es wird besser mit uns. Und ich frage nicht: Wann?

Gegen Morgen in der grauen Frühe pissen die Tannen,
Und ihr Ungeziefer, die Vögel, fängt an zu schreien.
Um die Stunde trink ich mein Glas in der Stadt aus und schmeiße
Den Tabakstummel weg und schlafe beunruhigt ein.

Wir sind gesessen ein leichtes Geschlecht
In Häusern, die für unzerstörbare galten
(So haben wir gebaut die langen Gehäuse des Eilands Manhattan
Und die dünnen Antennen, die das Atlantische Meer unterhalten).

Von diesen Städten wird bleiben: der durch sie hindurchging, der Wind!
Fröhlich macht das Haus den Esser; er leert es.
Wir wissen, daß wir Vorläufige sind,
Und nach uns wird kommen: nichts Nennenswertes .

Bei den Erdbeben, die kommen werden, werde ich hoffentlich
Meine Virginia nicht ausgehen lassen durch Bitterkeit,
Ich Bertolt Brecht, in die Asphaltstädte verschlagen
Aus den schwarzen Wäldern, in meiner Mutter, in früher Zeit.


Vom ertrunkenen Mädchen

Als sie ertrunken war und hinunter schwamm

Von den Bächen in die größeren Flüsse

Schien der Opal des Himmels sehr wundersam

Als ob er die Leiche begütigen müsse.

Tang und Algen hielten sich an ihr ein

So dass sie langsam viel schwerer ward.

Kühl die Fische schwammen an ihrem Bein

Pflanzen und Tiere beschwerten noch ihre letzte Fahrt.

Und der Himmel ward abends dunkel wie Rauch

Und hielt nachts mit den Sternen das Licht in Schwebe.

Aber früh ward er hell, dass es auch

Noch für sie Morgen und Abend gebe.

Als ihr bleicher Leib im Wasser verfaulet war

Geschah es (sehr langsam), dass Gott sie allmählich vergaß.

Erst ihr Gesicht, dann die Hände und ganz zuletzt erst ihr Haar.

Dann ward sie Aas in Flüssen mit vielem Aas.


Legende vom toten Soldaten

Und als der Krieg im vierten Lenz

Keinen Ausblick auf Frieden bot

Da zog der Soldat seine Konsequenz

Und starb den Heldentod.


Der Krieg war aber noch nicht gar

Drum tat es dem Kaiser leid

Daß sein Soldat gestorben war:

Es schien ihm noch vor der Zeit.


Der Sommer zog über die Gräber her

Und der Soldat schlief schon

Da kam eines Nachts eine militär-

ische ärztliche Kommission.


Es zog die ärztliche Kommission

Zum Gottesacker hinaus

Und grub mit geweihtem Spaten den

Gefallnen Soldaten aus.


Der Doktor besah den Soldaten genau

Oder was von ihm noch da war

Und der Doktor fand, der Soldat war k. v.

Und er drückte sich vor der Gefahr.


Und sie nahmen sogleich den Soldaten mit

Die Nacht war blau und schön.

Man konnte, wenn man keinen Helm aufhatte

Die Sterne der Heimat sehn.


Sie schütteten ihm einen feurigen Schnaps

In den verwesten Leib

Und hängten zwei Schwestern in seinen Arm

Und ein halb entblößtes Weib.


Und weil der Soldat nach Verwesung stinkt

Drum hinkt ein Pfaffe voran

Der über ihn ein Weihrauchfaß schwingt

Daß er nicht stinken kann.


Voran die Musik mit Tschindrara

Spielt einen flotten Marsch.

Und der Soldat, so wie er's gelernt

Schmeißt seine Beine vom Arsch.


Und brüderlich den Arm um ihn

Zwei Sanitäter gehn

Sonst flöge er noch in den Dreck ihnen hin

Und das darf nicht geschehn.


Sie malten auf sein Leichenhemd

Die Farben Schwarz-Weiß-Rot

Und trugen's vor ihm her; man sah

Vor Farben nicht mehr den Kot.


Ein Herr im Frack schritt auch voran

Mit einer gestärkten Brust

Der war sich als ein deutscher Mann

Seiner Pflicht genau bewußt.


So zogen sie mit Tschindrara

Hinab die dunkle Chaussee

Und der Soldat zog taumelnd mit

Wie im Sturm die Flocke Schnee.


Die Katzen und die Hunde schrein

Die Ratzen im Feld pfeifen wüst:

Sie wollen nicht französich sein

Weil das eine Schande ist.


Und wenn sie durch die Dörfer ziehn

Waren alle Weiber da

Die Bäume verneigten sich, Vollmond schien

Und alles schrie hurra.


Mit Tschindrara und Wiedersehn!

Und Weib und Hund und Pfaff!

Und mitten drin der tote Soldat

Wie ein besoffner Aff.


Und wenn sie durch die Dörfer ziehn

Kommt's, daß ihn keiner sah

So viele waren herum um ihn

Mit Tschindra und Hurra.


So viele tanzten und johlten um ihn

Daß ihn keiner sah.

Man konnte ihn einzig von oben noch sehn

Und da sind nur Sterne da.


Die Sterne sind nicht immer da

Es kommt ein Morgenrot.

Doch der Soldat, so wie er's gelernt

Zieht in den Heldentod.



An die Nachgeborenen

I

Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!

Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn

Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende

Hat die furchtbare Nachricht

Nur noch nicht empfangen.

Was sind das für Zeiten, wo

Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist.

Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!

Der dort ruhig über die Straße geht

Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde

Die in Not sind?

Es ist wahr: ich verdiene noch meinen Unterhalt

Aber glaubt mir: das ist nur ein Zufall. Nichts

Von dem, was ich tue, berechtigt mich dazu, mich sattzuessen.

Zufällig bin ich verschont. (Wenn mein Glück aussetzt, bin ich verloren.)

Man sagt mir: iß und trink du! Sei froh, daß du hast!

Aber wie kann ich essen und trinken, wenn

Ich dem Hungernden entreiße, was ich esse, und

Mein Glas Wasser einem Verdurstenden fehlt?

Und doch esse und trinke ich.

Ich wäre gerne auch weise.

In den alten Büchern steht, was weise ist:

Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit

Ohne Furcht verbringen

Auch ohne Gewalt auskommen

Böses mit Gutem vergelten

Seine Wünsche nicht erfüllen, sondern vergessen

Gilt für weise.

Alles das kann ich nicht:

Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!

II

In die Städte kam ich zur Zeit der Unordnung

Als da Hunger herrschte.

Unter die Menschen kam ich zu der Zeit des Aufruhrs

Und ich empörte mich mit ihnen.

So verging meine Zeit

Die auf Erden mir gegeben war.

Mein Essen aß ich zwischen den Schlachten

Schlafen legte ich mich unter die Mörder

Der Liebe pflegte ich achtlos

Und die Natur sah ich ohne Geduld.

So verging meine Zeit

Die auf Erden mir gegeben war.

Die Straßen führten in den Sumpf zu meiner Zeit.

Die Sprache verriet mich dem Schlächter.

Ich vermochte nur wenig. Aber die Herrschenden

Saßen ohne mich sicherer, das hoffte ich.

So verging meine Zeit

Die auf Erden mir gegeben war.

Die Kräfte waren gering. Das Ziel

Lag in großer Ferne

Es war deutlich sichtbar, wenn auch für mich

Kaum zu erreichen.

So verging meine Zeit

Die auf Erden mir gegeben war.

III

Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut

In der wir untergegangen sind

Gedenkt

Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht

Auch der finsteren Zeit

Der ihr entronnen seid.

Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die Länder wechselnd

Durch die Kriege der Klassen, verzweifelt

Wenn da nur Unrecht war und keine Empörung.

Dabei wissen wir doch:

Auch der Haß gegen die Niedrigkeit

verzerrt die Züge.

Auch der Zorn über das Unrecht

Macht die Stimme heiser. Ach, wir

Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit

Konnten selber nicht freundlich sein.

Ihr aber, wenn es so weit sein wird

Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist

Gedenkt unserer

Mit Nachsicht.


Gegen Verführung

Laßt Euch nicht verführen!

Es gibt keine Wiederkehr.

Der Tag steht in den Türen,

ihr könnt schon Nachtwind spüren:

Es kommt kein Morgen mehr.

Laßt Euch nicht betrügen!

Das Leben wenig ist.

Schlürft es in vollen Zügen!

Es wird Euch nicht genügen,

wenn Ihr es lassen müßt!

Laßt Euch nicht vertrösten!

Ihr habt nicht zu viel Zeit!

Laßt Moder den Erlösten!

Das Leben ist am größten:

Es steht nicht mehr bereit.

Laßt Euch nicht verführen

Zu Fron und Ausgezehr!

Was kann Euch Angst noch rühren?

Ihr sterbt mit allen Tieren

und es kommt nichts nachher.


Ballade von den Abenteurern

Von Sonne krank und ganz von Regen zerfressen

Geraubten Lorbeer im zerrauften Haar

Hat er seine ganze Jugend, nur nicht ihre Träume vergessen

Lange das Dach, nie den Himmel, der drüber war.

O ihr, die ihr aus Himmel und Hölle vertrieben

Ihr Mörder, denen viel Leides geschah

Warum seid ihr nicht im Schoß eurer Mütter geblieben

Wo es stille war und man schlief und man war da?

Er aber sucht noch in absinthenen Meeren

Wenn er schon seine Mutter vergißt

Grinsend und fluchend und zuweilen nicht ohne Zähren

Immer das Land, wo es besser zu leben ist.

Schlendernd durch Höllen und gepeitscht durch Paradiese

Still und grinsend, vergehenden Gesichts

Träumt er gelegentlich von einer kleinen Wiese

Mit blauem Himmel drüber und sonst nichts.


Erinnerung an die Marie A.


An jenem Tag im blauen Mond September

Still unter einem jungen Pflaumenbaum

Da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe

In meinem Arm wie einen holden Traum.


Und über uns im schönen Sommerhimmel

War eine Wolke, die ich lange sah

Sie war sehr weiß und ungeheuer oben

Und als ich aufsah, war sie nimmer da.


Seit jenem Tag sind viele, viele Monde

Geschwommen still hinunter und vorbei.

Die Pflaumenbäume sind wohl abgehauen

Und fragst du mich, was mit der Liebe sei.


So sag ich dir: ich kann mich nicht erinnern

Und doch, gewiß, ich weiß schon, was du meinst.

Doch ihr Gesicht, das weiß ich wirklich nimmer

Ich weiß nunmehr: ich küßte es dereinst.


Und auch den Kuß, ich hätt ihn längst vergessen

Wenn nicht die Wolke dagewesen wär

Die weiß ich noch und werd ich immer wissen

Sie war sehr weiß und kam von oben her.


Die Pflaumenbäume blühn vielleicht noch immer

Und jene Frau hat jetzt vielleicht das siebte Kind.

Doch jene Wolke blühte nur Minuten

Und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind.



Die Moritat von Mackie Messer

Und der Haifisch, der hat Zähne

und die trägt er im Gesicht

und Macheath, der hat ein Messer

doch das Messer sieht man nicht.

Ach, es sind des Haifischs Flossen

rot, wenn dieser Blut vergießt.

Mackie Messer trägt 'nen Handschuh

drauf man keine Untat liest.

An 'nem schönen blauen Sonntag

liegt ein toter Mann am Strand

und ein Mensch geht um die Ecke

den man Mackie Messer nennt.

Und Schmul Meier bleibt verschwunden

und so mancher reiche Mann

und sein Geld hat Mackie Messer

dem man nichts beweisen kann.

Jenny Towler ward gefunden

mit 'nem Messer in der Brust

und am Kai geht Mackie Messer

der von allem nichts gewußt.

Und das große Feuer in Soho

sieben Kinder und ein Greis -

in der Menge Mackie Messer, den

man nicht fragt und der nichts weiss.

Und die minderjährige Witwe

deren Namen jeder weiss

wachte auf und war geschändet -

Mackie, welches war dein Preis?



Mahagonny Gesang nr. 3

An einem grauen Vormittag

Mitten im Whisky

Kam Gott nach Mahagonny

Mitten im Whisky

Bemerkten wir Gott in Mahagonny

Sauft ihr wie die Schwämme

Meinen guten Weizen Jahr für Jahr?

Keiner hat erwartet, dass ich käme

Wenn ich komme jetzt, ist alles gar?
Ansahen sich die Männer von Mahagonny

Ja!, sagten die Männer von Mahagonny

An einem grauen Vormittag

…..

Lachet ihr am Freitag abend?

Mary Weeman sah ich ganz von fern

Wie'n Stockfisch stumm in Salzsee schwimmen

Sie wird nicht mehr trockem, meine Herr'n!"
Ansahen sich die Männer von Mahagonny

Ja!, sagten die Männer von Mahagonny

An einem grauen Vormittag

…..

Kennt ihr diese Patronen?

Schießt ihr meinen guten Missionar?

Soll ich wohl mit euch im Himmel wohnen

Sehen euer graues Säuferhaar?
Ansahen sich die Männer von Mahagonny

Ja!, sagten die Männer von Mahagonny

An einem grauen Vormittag

…..

Gehet alle zu Hölle

Steckt jetzt die Virginien in den Sack

Marsch mit euch in meine Hölle, Burschen

In die schwarze Hölle mit euch Pack!
An sahen sich die Männer von Mahagonny

Ja!, sagten die Männer von Mahagonny

An einem grauen Vormittag

Mitten im Whisky

Kommst du nach Mahagonny

Mitten im Whisky

Fängst du an in Mahagonny

Rühre keiner den Fuß jetzt

Jedermann streikt! An den Haaren

Kannst du uns nicht in die Hölle ziehen

Weil wir immer in der Hölle waren!"An sahen Gott die Männer von Mahagonny.


Ballade Von Der Judenhure Marie Sanders

In Nürnberg machten sie ein Gesetz

Darüber weinte manches Weib, da

Mit dem falschen Mann im Bett lag.

"Das Fleisch schlägt auf in den Vorstädten

Die Trommeln schlagen mit Macht

Gott im Himmel, wenn sie etwas vorhätten

Wäre es heute nacht."

Marie Sanders, dein Geliebter

Hat zu schwarzes Haar.

Besser, du bist heute zu ihm nicht mehr

Wie du zu ihm gestern warst.

"Das Fleisch schlägt auf in den Vorstädten

Die Trommeln schlagen mit Macht

Gott im Himmel, wenn sie etwas vorhätten

Wäre es heute nacht.

Mutter, gib mir den Schlüssel

Es ist alles halb so schlimm.

Der Mond sieht aus wie immer.

"Das Fleisch schlägt auf in den Vorstädten

Die Trommeln schlagen mit Macht

Gott im Himmel, wenn sie etwas vorhätten

Wäre es heute nacht.

Eines Morgens, früh um neun Uhr

Fuhr sie durch die Stadt

Im Hemd, um den Hals ein Schild, das Haar geschoren.

Die Gasse johlte. Sie

Blickte kalt.

"Das Fleisch schlägt auf in den Vorstädten

Der Streicher spricht heute nacht.

Großer Gott, wenn wir ein Ohr hätten

Wüßten wir, was man mit uns macht.


Frühling 1938

I

Heute, Ostersonntag früh

Ging ein plötzlicher Schneesturm über die Insel.

Zwischen den grünenden Hecken lag Schnee. Mein junger Sohn

Holte mich zu einem Aprikosenbäumchen an der Hausmauer

Von einem Vers weg, in dem ich auf diejenigen mit dem Finger deutete

Die einen Krieg vorbereiteten, der

Den Kontinent, diese Insel, mein Volk, meine Familie und mich

Vertilgen mag. Schweigend

Legten wir einen Sack

Über den frierenden Baum.

II

Über dem Sund hängt Regengewölke, aber den Garten

Vergoldet noch die Sonne. Die Birnbäume

Haben grüne Blätter und noch keine Blüten, die Kirschbäume hingegen

Blüten und noch keine Blätter. Die weißen Dolden

Scheinen aus dürren Asten zu sprießen.

Über das gekräuselte Sundwasser

Läuft ein kleines Boot mit geflicktem Segel.

In das Gezwitscher der Stare

Mischt sich der ferne Donner

Der manövrierenden Schiffsgeschütze

Des Dritten Reiches.

III

In den Weiden am Sund

Ruft in diesen Frühjahrsnächten oft das Käuzlein.

Nach dem Aberglauben der Bauern

Setzt das Käuzlein die Menschen davon in Kenntnis

Dass sie nicht lang leben. Mich

Der ich weiß, dass ich die Wahrheit gesagt habe

Über die Herrschenden, braucht der Totenvogel davon

Nicht erst in Kenntnis zu setzen.


Der Kirschdieb

An einem frühen Morgen, lange vor Hahnenschrei

Wurde ich geweckt durch ein Pfeifen und ging zum Fenster.

Auf meinem Kirschbaum - Dämmerung füllte den Garten -

Saß ein junger Mann mit geflickter Hose

Und pflückte lustig meine Kirschen. Mich sehend

Nickte er mir zu, mit beiden Händen

Holte er die Kirschen von den Zweigen in seine Taschen.

Noch eine ganze Zeitlang, als ich wieder in meiner Bettstatt lag

Hörte ich ihn sein lustiges kleines Lied pfeifen.


An die deutschen Soldaten im Osten

Brüder, wenn ich bei euch wäre

Auf den östlichen Schneefeldern einer von euch wäre

Einer von euch Tausenden zwischen den Eisenkärren

Würde ich sagen, wie ihr sagt: Sicher

Muss da ein Weg nach Hause sein.

Aber, Brüder, liebe Brüder

Unter dem Stahlhelm, unter der Hirnschale

Würde ich wissen, was ihr wisst: Da

Ist kein Weg nach Haus mehr.

Auf der Landkarte im Schulatlas

Ist der Weg nach Schmolensk nicht grösser

Als der kleine Finger des Führers, aber

Auf den Schneefeldern ist er weiter

Sehr weit, zu weit

Der Schnee hält nicht ewig, nur bis zum Frühjahr.

Aber auch der Mensch hält nicht ewig. Bis zum Frühjahr

Hält er nicht.

Also muss ich sterben, das weiss ich

Im Rock des Räubers muss ich sterben

Sterbend im Hemd des Mordbrenners.

Als einer der vielen, als einer der Tausende

Gejagt als Räuber, erschlagen als Mordbrenner.

Brüder, wenn ich bei euch wäre

Mit euch trottete über die Eiswüsten

Würde ich fragen, wie ihr fragt: Warum

Bin ich hierhergekommen, von wo

Kein Weg mehr nach Hause führt?

Warum habe ich den Rock des Räubers angezogen?

Warum habe ich das Hemd des Mordbrenners angezogen?

Das war doch nicht aus Hunger

Das war doch aus Mordlust nicht.

Nur weil ich ein Knecht war

Und es mir geheissen wurd

Bin ich ausgezogen zu morden und zu brennen

Und muss jetzt gejagt werden

Und muss jetzt erschlagen werden.

Weil ich eingebrochen bin

In das friedliche Land der Bauern und Arbeiter

Der grossen Ordnung, des unaufhörlichen Aufbaus

Niedertrampelnd und niederfahrend Staat und Gehöfte

Auszurauben die Werkstätten, die Mühlen und Dammbauten

Abzubrechen den Unterricht der tausend Schulen

Aufzustören die Sitzungen der unermüdlichen Räte:

Darum muss ich jetzt sterben wie eine Ratte

Die der Bauer ertappt hat.

Dass von mir gereinigt werde

Das Gesicht der Erde

Von mir Aussatz! Dass ein Exempel statuiert werde

An mir für alle Zeiten, wie verfahren werden soll

Mit Räubern und Mordbrennern

Und den Knechten von Räubern und Mordbrennern.

Dass da Mütter sageb, sie haben keine Kinder.

Dass da Kinder sagen, sie haben keine Väter.

Dass da Erdhügel sind, die keine Auskünfte geben.

Und ich werde nicht mehr sehen

Das Land, aus dem ich gekommen bin

Nicht das Meer, nicht die märkische Heide, die Föhre nicht

Noch den Weinhügel am Fluss im Frankenland.

Nicht in der grauen Frühe, nicht am Mittag

Und nicht, wenn der Abend herabsteigt.

Noch die Städte und die Stadt, wo ich geboren bin.

Nicht die Wekbänke, und auch die Stube nicht mehr

Und den Stuhl nicht.

All das werde ich nie mehr ehen.

Und keiner, der mit mir ging

Wird das alles noch einmal sehen.

Und ich nicht und du nicht

Werden die Stimme der Frauen und Mütter hören

Oder den Wind über dem Schornstein der Heimat

Oder den fröhlichen Lärm der Stadt oder den bitteren.

Sondern ich werde sterben in der Mitte der Jahre

Ungeliebt, unvermisst

Eines Kriegsgerät törichter Fahrer.

Unbelehrt, ausser durch die letzte Stunde

Unerprobt, ausser beim Morden

Nicht vermisst, ausser von den Sschlächtern.

Und ich werde unter der Erde liegen

Die ich zerstört habe

Ein Schädling, um den es nicht schad ist.

Ein Aufatmen wird an meiner Grube sein.

Denn was wird da eingescharrt?

Ein Zentner Fleisch in einem Tank, das bald faul wurde.

Was kommt da weg?

Ein dürrer Strauch, der erfroren ist

Ein Dreck, der weggeschaufelt wurde

Ein Gestank, den der Wind wegwehte.

Brüder, wenn ich jetzt bei euch wäre

Auf dem Weg zurück nach Smolensk

Von Smolensk zurück nach nirgendwohin

Würde ich fühlen, was ihr fühlt: immer schon

Habe ich es gewusst unter dem Stahlhelm, unter der Hirnschale

Dass schlecht nicht gut ist

Dass zwei mal zwei vier ist

Und dass sterben wird, wer mit ihm ging

Dem blutigen Brüllenden

Dem blutigen Dummkopf

Der nicht wisste, dass der Weg nach Moskau lang ist

Sehr lang, zu lang.

Dass der Winter in den östlichen Ländern kalt ist

Sehr kalt, zu kalt.

Dass die Bauern und Arbeiter des neuen Staates

Ihre Erde und ihre Städte verteidigen würden

So dass wir alle vertilgt werden.

Vor den Wäldern, hinter den Kanonen

In den Strassen und in den Häusern

Unter den Tanks, am Strassenrand

Durch die Männer, durch die Weiber, durch die Kinder

In der Kälte, in der Nacht, im Hunger

Dass wir alle vertilgt werden

Heute oder morgen oder am nächsten Tag

Ich und du und der General, alles

Was hier gekommen ist, zu verwüsten

Was von Menschenhand errichtet wurde.

Weil es eine solche Mühe ist, die Erde zu bebauen

Weil es so viel Schweiss gekostet, ein Haus aufzustellen

Die Balken zu fällen, den Plan zu zeichnen

Die Mauer aufzuschichten, das Dach zu decken.

Weil es so müde machte, weil die Hoffnung so gross war.

Tausend Jahre war nur ein Gelächter

Wenn die Werke von Menschenhand angetastet wurden.

Aber jetzt wird es sich herumsprechen auf allen Kontinenten:

Der Fuss, der die Felder der neuen Traktorenfahrer zertrat

Ist verdorrt.

Die Hand, die sich gegen die Werke der neuen Städtebauer erhob

Ist abgehauen.


Lied einer deutschen Mutter

Mein Sohn, ich hab dir die Stiefel

Und dies braune Hemd geschenkt:

Hätt ich gewußt, was ich heute weiß

Hätt ich lieber mich aufgehängt.

Mein Sohn, als ich deine Hand sah

Erhoben zum Hitlergruß

Wußte ich nicht, daß dem, der ihn grüßet

Die Hand verdorren muß.

Mein Sohn, ich hörte dich reden

Von einem Heldengeschlecht.

Wußte nicht, ahnte nicht, sah nicht:

Du warst ihr Folterknecht.

Mein Sohn, und ich sah dich marschieren

Hinter dem Hitler her

Und wußte nicht, daß, wer mit ihm auszieht

Zurück kehrt er nimmermehr.

Mein Sohn, du sagtest mir, Deutschland

Wird nicht mehr zu kennen sein.

Wußte nicht, es würd werden

Zu Asche und blutigem Stein.

Sah das braune Hemd dich tragen

Habe mich nicht dagegen gestemmt.

Denn ich wußte nicht, was ich heut weiß:

Es war dein Totenhemd.


Deutsches Lied

Sie sprechen wieder von grossen Zeiten

(Anna, weine nicht).

Der Krämer wird uns schon ankreiden.

Sie sprechen wieder von Ehre

(Anna, weine nicht).

Da ist nichts mehr im Schrank, was zu holen wäre.

Sie sprechen wieder von Siegen

(Anna, weine nicht).

Sie werden mich schon nicht kriegen.

Es ziehen die Heere,

(Anna, weine nicht).

Wenn ich wieder kehre,

kehr ich unter anderen Fahnen wieder.


Aberglaube 

Vierblättriges Kleeblatt

Lieschen fand’s am Rain 

Vor Freude es zu haben 

Sprang Lieschen übern Graben 

und brach ihr bestes Bein. 


Spinnelein am Morgen 

Lieschen wurd es heiß. 

Der Tag bracht keinen Kummer 

Und abends vor dem Schlummer 

Bracht Vater Himbeereis. 


Der Storch bringt nicht die Kinder 

Die Sieben bringt kein Glück. 

Und einen Teufel gibt es nicht 

In unsrer Republik.