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JELINEK, Elfriede



Die Klavierspielerin

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Wenn die Klavierschülerin Elfriede Jelinek übte, standen die Fenster der Wohnung weit offen. Draußen war es laut, alle paar Minuten rumpelte die Straßenbahn die abschüssige Laudongasse im achten Bezirk hinunter. Im Haus gegenüber befand sich ein zwielichtiges Café, Männer gingen ein und aus, um per Tischtelefon Damenbekanntschaften zu machen.

Ein Ventilator blies den Rauch und die Essensdämpfe auf die Straße, die Gerüche drangen bis zur Klavierschülerin in den ersten Stock. Abends schoben sich Trauben von Leuten an dem Haus vorbei, sie waren auf dem Weg ins Revuetheater an der nächsten Kreuzung, sie lachten und lärmten. Doch die Fenster wurden nicht geschlossen — die Nachbarn im Mietshaus und die Menschen auf der Straße sollten die Musik des Kindes hören. Elfriedes Mutter wollte das so, sie nannte das «Konzertgeben». Und so saß das Mädchen Stunde um Stunde drinnen am Flügel und spielte gegen ein Draußen an.

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