OPITZ, Martin
Liedt
Ach Liebste, laß uns eilen,
Wir haben Zeit,
Es schadet uns verweilen
Uns beiderseit.
Der edlen Schönheit Gaben
Fliehen Fuß für Fuß,
Daß alles, was wir haben,
Verschwinden muß.
Der Wangen Ziehr verbleichet,
Das Haar wird greiß,
Der Augen Feuer weichet,
Die Brunst wird Eiß.
Das Mündlein von Corallen
Wird ungestalt,
Die Händ' als Schnee verfallen,
Und du wirst alt.
Drumb laß uns jetzt geniessen
Der Jugend Frucht,
Eh' als wir folgen müssen
Der Jahre Flucht.
Wo du dich selber liebest,
So liebe mich,
Gieb mir das, wann du giebest,
Verlier auch ich.
Carpe diem
Ich empfinde fast ein Grauen,
dass ich, Plato, für und für
bin gesessen über dir.
Es ist Zeit hinauszuschauen
und sich bei den frischen Quellen
in dem Grünen zu ergehn.
wo die schönen Blumen stehn
und die Fischer Netze stellen!
Wozu dienet das Studieren
als zu lauter Ungemach!
Unterdessen läuft die Bach
unsers Lebens, das wir führen,
ehe wir es inne werden,
auf ihr letztes Ende hin:
dann kömmt ohne Geist und Sinn
dieses alles in die Erden.
Holla, Junger, geh und frage,
wo der beste Trunk mag sein,
nimm den Krug und fülle Wein!
Alles Trauren, Leid und Klage,
wie wir Menschen täglich haben,
eh uns Clotho fortgerafft,
will ich in den süssen Saft,
den die Traube gibt, vergraben.
Kaufe gleichfalls auch Melonen
und vergiss des Zuckers nicht,
schaue nur, dass nichts gebricht!
Jener mag der Heller schonen,
der bei seinem Gold und Schätzen
tolle sich zu kränken pflegt
und nicht satt zu Bette legt;
ich will, weil ich kann, mich letzen!
Bitte meine guten Brüder
auf die Musik und ein Glas!
Kein Ding schickt sich, dünkt mich, bass
als gut Trank und gute Lieder.
Lass ich gleich nicht viel zu erben,
ei, so hab ich edlen Wein!
Will mit andern lustig sein,
muss ich gleich alleine sterben.
Sonett
Aus dem Italienischen Petrarchae.
Ist Liebe lauter nichts, wie daß sie mich entzündet?
Ist sie dann gleichwohl was, wem ist ihr Tun bewußt?
Ist sie auch recht und gut, wie bringt sie böse Lust?
Ist sie nicht gut, wie daß man Freud aus ihr empfindet?
Lieb ich gar williglich, wie daß ich Schmerzen trage?
Muß ich es tun, was hilfts, daß ich solch Trauren führ?
Tu ichs nicht gern, wer ists, der es befiehlet mir?
Tu ich es gern, warum, daß ich mich dann beklage?
Ich wanke wie das Gras, so von den kühlen Winden
Um Vesperzeit bald hin geneiget wird, bald her.
Ich walle wie ein Schiff, das in dem wilden Meer
Von Wellen umjagt nicht kann zu Rande finden.
Ich weiß nicht was ich will, ich will nicht was ich weiß,
Im Sommer ist mir kalt, im Winter ist mir heiß.
Elegie.
In dem die Sonne sich hat in das Meer begeben /
Vnd das gestirnte Haupt der Nacht herausser bricht /
Sind Menschen / Vieh vnd Wild wie gleichsam ohne Leben /
Der Monde scheinet auch gar kaum mit halbem Liecht.
Ich / ob schon alles schläfft / muß ohn Auffhören wachen
Von vielen Tagen her / vnd wallen ohne Ruh:
Ist schon die gantze Welt befreyt von jhren Sachen /
So bring′ ich doch vor Lieb′ vnd Angst kein Auge zu.
Auch dich / Asterie / hat gantz der Schlaff vmbringet /
Der Tagesarbeit furth / deß Todes Ebenbild;
Da mir der Zehren Bach auß beyden Augen dringet /
Bist du mit sanffter Rhu auff deinem Bett′ erfüllt.
Wie wann sich Delia hat in den Walt verborgen /
Wird durch den Schlaff erwuscht / vnd fellt ins grüne Graß;
Vnd wie die Nymphen auch sich legen gegen morgen /
Nach dem der Nachttantz sie gemacht hat müd vnd laß.
Sie ruhen sicherlich bey einem frischen Bronnen /
Die Bäume halten auff der Morgenröthe Liecht;
Daß sie nicht alsobald erwachen von der Sonnen
Deckt sie der dicke Wald: Pan aber schläffet nicht.
Er geht / er rufft / er schreyt mit sehnlichem Verlangen /
Daß seine stimm erklingt durch pusche / Berg vnd Thal /
Vnd sie sind sänfftiglich mit süssem Traum vmbfangen /
Dem Pan antwortet nur der blosse Wiederschal.
Du auch / mein Leben / schläfst / ich muß in Nöthen wallen /
Du bist in guter Rhu / ich wache für vnd für /
Biß mich der letzte Tod wird endlich vberfallen /
Auff den ich sehnlich wart allhier bey deiner Thür.
Beschluß Elegie.
Das blinde Liebeswerck / die süsse Gifft der Sinnen /
Vnd rechte Zauberey hat letzlich hier ein End′:
Es wird das lose Kind so mich verführen können /
Gott lob / jetzt gantz vnd gar von mir hinweg gewendt.
Nun suche wo du wilt dir anderwerts Poeten;
Hier / Venus / hab′ ich mir gesteckt mein eignes Ziel;
Es ist mir deine Gunst jetzt weiter nicht von nöthen;
Ich haß′ all′ Eitelkeit; es liebe wer da wil.
Was meine schwache Hand vor dieser Zeit geschrieben /
Durch deinen Geist geführt / das ist der Jugend schuld;
Ich werde weiter nicht von solcher Lust getrieben;
Was dir gehässig ist zu diesem trag′ ich huld.
Wann Vrtheil vnd Verstand bey mir zu rathe sitzen /
So hattest du mir zwar bethört den jungen Sinn:
Jetzt seh′ ich daß dein Sohn sey ohne wahn vnd Witzen /
Du aber / Venus / selbst ein′ edle Kuplerinn.
Dein Wesen ist ein Marckt da Leid wird feil getragen /
Ein Winckel da verdruß vnd Wehmuth jnnen steht /
Ein′ Herberg′ aller Noth / ein Siechhauß vieler Plagen /
Ein Schiff der Pein / ein Meer da Tugend vntergeht.
Wo soll die Schönheit seyn / wann alles wird vergehen /
Die Lippen von Corall / diß Alabaster Bild /
Die Augen so jhr seht gleich als zwo Sonnen stehen /
Der rothe Rosenmund / der weissen Brüste Schild?
Sie sollen / vnd wir auch als Asch′ vnd Staub entfliehen /
Vnd allzugleiche gehn den Weg der Eitelkeit:
Pracht / Hoffart / Gut vnd Geld / vmb das wir vns so mühen /
Wird Wind vnd Flügel noch bekommen mit der Zeit.
Ich laß′ es alles stehn: das Ende meiner Jugend /
Vnd Frucht der Liebeslust beschließ′ ich gantz hierein:
Ein Werck das höher ist / der Anfang meiner Tugend /
Ob dieses gleich verdirbt / soll nimmer sterblich seyn.