REDING, Josef





Mädchen, pfeif auf den Prinzen


Es kommt kein Prinz, der dich erlöst,

wenn du die Jahre blöd verdöst,

wenn du den Verstand nicht übst,

das Denken stets auf morgen schiebst.


Es kommt kein Prinz, der dich umfängt,

von nun an deine Schritte lenkt.

Befrei dich selbst vom Dauerschlaf,

sonst bleibst du nur ein armes Schaf.


Es kommt kein Prinz mit einem Kuss,

macht nicht mit deinen Sorgen Schluss;

es bringt dich auch kein Königssohn

vom Kochtopf auf den Herrscherthron.


Du kannst dir selbst dein Leben bauen,

musst allen deinen Kräften trauen.

Mach noch heute den Versuch

und pfeif auf den Prinzen im Märchenbuch.



Meisje, geef niets om de prins


Er komt geen prins die je bevrijdt,

als je de jaren achteloos verslijt,

denken steeds tot morgen uitstelt,

door verstand niet wordt vergezeld.


Er komt geen prins die je omarmt,

die voortaan je stappen warmt.

Bevrijd jezelf uit die diepe slaap,

anders blijf je maar een schaap.


Er komt geen prins met een zoen

die al je zorgen weg zal doen;

er voert je ook geen koningszoon

van de kookpot naar de heerserstroon.


Je kan zelf je eigen leven bouwen,

je moet op eigen kracht vertrouwen.

Bekijk het vanaf nu vanuit die hoek,

maal niet om de prins in ‘t sprookjesboek.



Vertaling: Z. DE MEESTER





Gedicht vom Spinatesser


Bevor Olaf Grunholm

die Brücke über den

hellgrünen, reißenden Fluss Tra-Um

vollenden kann,

wird er verschleppt.


Olaf ist drei Jahre alt.

Man hat ihn

von seinen Bausteinen

zum Spinatessen geholt.

Es stehen viele halbfertige Brücken

am hellgrünen, reißenden Fluss Tra-Um.


Als er nach langer Zeit

zu seiner Arbeit zurückkehren darf

hat er das Geheimnis vergessen;

die Brücke


Köln

Hier aber sitzt nicht irgendwer.
Hier sitzen Medienhäschen
Von RTL und WDR
Um Kölsche Kindergläschen.

Pro Runde gibt’s zwei Tropfen Bier,
Die äusserst gut verschalt sind.
Auch die von n-tv sind hier

Mit News, die gut bezahlt sind,

Und Super RTL und Vox,
Weil niemand sie entfernt hat
Und halt das ganze Köln Gesox
Nix Richtiges gelernt hat.


Von Fall zu Fall


Beim nächtsten

Krieg

gibt als

ersten Fall

einen ernsten

Fall
und als

zweiten Fall

einen
Zwischenfall
und als

dritten Fall
einen Überfall

und auf

jeden Fall
einen

Feldmarschall
und als letzten
Fall einen
Feuerball


Sollte ich


Sollte ich wirklich mal sterben

möchte‘ ich mich gern selbst beerben.

Ihr Kinder und Enkel

habt keine Bange

es ist nicht viel

was ich verlange:

von meinen Büchern nur zwei

oder drei,

ein selbstgeschriebenes auch dabei;

aus meinem Keller die Flasche Wein

sollte von meinem Geburtsjahrgang sein;

die Erbsensuppe, die oft entbehrte,

Gespräch mit einem, der sich sperrte;

ein Wort noch für jene

die Geduld mit mir hatten,

ein mahnender Wink für

die Zufriedenen, Satten!

Ach, liebe Erben,

hier ist die Entwarnung:

Lasst mit der Liebsten

mir noch eine Umarmung!



Das schwerste Wort


Das schwerste Wort

heißt nicht

Popocatepetl

wie der Berg

in Mexiko

und nicht

Chichicastenango

wie der Ort

in Guatemala

und nicht

Ouagadou

wie die Stadt

in Afrika.

Das schwerste Wort

heißt für

viele:

Danke!


Abschlussgebet


Wir wollen schaffen, Gott, ein Morgen

für alle Menschen lebenswert.

Wir wollen für den Nächsten sorgen,

bis der Bedrängte ist geborgen

und bis der Hungernde genährt.


Wir wollen schaffen, Gott, die Erde,

nach deinem Plan von Hass befreit,

auf dass für alle Heimat werde,

wo kein raubtier schreckt die Herde,

kein Mensch mehr vor Verzweiflung schreit.


Lass uns beginnen, Gott, im Heute,

lass uns mit dir den Tag bestehn.

Uns wachen, dass der Mensch nicht beute,

nicht Opfer werde mächt’ger Meute:

Wir wollen dich im nächsten sehn


Faulenzen


Manchmal möchte

man

faulenzen

wie ein

Gulli im

Sonnenschein,

wie ein

Rasenmäher

im Winter,

wie eine

Nachttischlampe

am Tag.


Meine Stadt


Meine Stadt ist oft schmutzig;

aber mein kleiner Bruder ist es auch,

und ich mag ihn.

Meine Stadt ist oft laut;

aber meine große Schwester ist es auch,

und ich mag sie.


Meine Stadt ist dunkel

wie die Stimme meines Vaters

und hell wie die Augen meiner Mutter.

Meine Stadt und ich sind Freunde,

die sich kennen;

nicht flüchtig kennen

wie die von ferne her,

die der Bürgermeister

manchmal über die Hauptstraße führt.


Er zeigt

ihnen nicht

die Schutthalden.

Zu Hause führen wir auch

unseren Besuch in das

Wohnzimmer und lassen ihn

mit unserem Mülleimer in Ruhe.


Aber manchmal, bevor ich

zur Schule gehe,

klopfe ich dem braven grauen Müllkasten

auf den Deckel,

dass er fröhlich klappert,

und am Schuttfeld werfe

ich grüßend einen

Stein auf die blitzende

Konservendose dahinten,

dass sie tanzt.



Ermunterung


Fragt, fragt, fragt,

bis man Euch sagt:
warum die Sonnenuhr nicht tickt,

warum ein Neinsager nicht nickt,

ob Ohren Augenlider haben,

ob man versichert Unglücksraben?

Fragt, fragt, fragt!


Fragt, fragt, fragt,

bis man Euch sagt:

ob nur der ein guter Mann,

der am schnellsten schiessen kann,

ob nur das ‘ne gute Frau,

die am blanksten putzt den Bau?

Fragt, fragt, fragt!


Fragt, fragt, fragt,

bis man Euch sagt:

wie Vater eure Mutter nahm,

wie Mutter schliesslich euch bekam,

warum man Grenzen noch errichtet,

warum man Ernten heut vernichtet?

Fragt, fragt, fragt!

Fragt, fragt, fragt,

bis man Euch sagt:

warum der eine ist pampsatt,

der andere nichts zu beissen hat,

warum die einen höher stehn,

die anderen aber barfuss gehn?
Fragt, fragt, fragt!