DAUTHENDEY, Max



Alles wird wertlos


Als ich Abschied nahm von deinem Mund,

Hielt mich noch dein Haar wie Arme fest;

Ich ward stumm von der Stille jener Stund,

Und von deiner Träne blind,

Die mich nicht mehr verläßt.

Wenn du mich verläßt,

Kann mein Herz nicht fliegen,

Und sitzt wie ein nasser Vogel im Nest.


Sonst seh ich in alle Kammern hinein,

Doch wenn du mich verläßt,

Steh ich an Türen von Stein.


Alles wird wertlos,

Auch ʼ s Gold in der Hand,

Und die Sehnsucht führt mich

Hinkend durchs Land.



Du und ich


Du und ich!

Wunschlose Seligkeit

Strömt deine Nähe über mich.

Der Alltag wird zur Sonntagszeit,

Unsterblich schlingt das Leben sich

Um uns. Und Menschengöttlichkeit

Fühl' ich bei dir durch dich.


Was einst gewesen, weiß ich kaum.

Die enge Welt wird weiter Raum.

Und Holz wird Eisen, Eisen Holz

Und Stolz wird Demut, Demut Stolz.

Gar wunderbare Weisen

Singt dann bei seinen Kreisen

Mein Blut im Paradies für mich.

Es haben alle Wünsche Ruh', -

Ich weiß nicht mehr, wer bist dann du.

Ich weiß nicht mehr, wer bin dann ich



Die Amseln haben Sonne getrunken


Die Amseln haben Sonne getrunken,

Aus allen Gärten strahlen die Lieder,

In allen Herzen nisten die Amseln,

Und alle Herzen werden zu Gärten

Und blühen wieder.


Nun wachsen der Erde die großen Flügel

Und allen Träumen neues Gefieder,

Alle Menschen werden wie Vögel

Und bauen Nester im Blauen.


Nun sprechen die Bäume in grünem Gedränge

Und rauschen Gesänge zur hohen Sonne,

In allen Seelen badet die Sonne,

Alle Wasser stehen in Flammen,

Frühling bringt Wasser und Feuer

Liebend zusammen.



Küsste ich zur Nacht


Ach, wie fröhlich und gesund

Mich die Liebe macht!

Bin der beste Mensch am Tag,

Küsste ich zur Nacht.


Arbeit tut von selber gehn,

Jeder Schritt ist Dank,

Reden, die ich reden muss,

Red' ich frei und frank.


Heller wird mir jeder Tag,

Weiß, wohin man sieht,

Weiß, wenn’s Abend werden will,

Wozu das geschieht.



Herrlich kommt die dunkle Nacht,

Die den Mund mir gibt,

Der mich bis zum hellen Tag

Unter Küssen liebt.



Morgenduft


Schwergebogen nasse Äste,

Trübe Aprikosenblüten.

Unter tiefen Wolken schleichen

Feuchte Wege.

Aschenweiche tiefe Wälder,

Kahle perlenmatte Fjorde,

Kaltes Schilf. Auf glasigem Grunde

Spielen scheue Rosenmuscheln.



Auf meinem Schatten kühl ich saß


Und legte mein Gebein ins Gras,

Mein Auge stieg zum Grün und Blauen

Und tat aus Wolken Häuser bauen.

Und Menschen setzte ich hinein,

Schrieb Schicksale in Hände ein,

Und ließ die Menschen lachen, küssen,

Bis sie aus Wolken fallen müssen.