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JENTZSCH, Bernd



Arioso


Ich bin der Weggehetzte.

Nicht der erste, nicht der letzte,

Von keiner Miene zerrissen,

Vorm Zaun nicht ins Gras gebissen.

Keine blaue Bohne in der Lunge.

Nicht mal Blut auf der Zunge.

Mein Leib und meine sieben Sinne,

Alles frisch und unversehrt,

Das Leben, das ich nun beginne,

Lebt sich gerade umgekehrt.

Ich bin der Weggehetzte,

Nicht der erste, nicht der letzte.

Mir ist die Welt ins Herz gesprungen,

Mir, dem großen Lausejungen.



Sommer


Hier in den Mulden, in den schäumenden Wiesen,

Im Regen, der uns segnet und sonderbar singt,

Auf dem offenen Feld, im Hafer, der uns jetzt sticht,

Im Tollkraut, im Tollkraut, dunkel und licht,

Liebste, hier wolln wir machen, was den Tod

Zu Tode erschrickt, hier, im singenden Regen,

Damit es aufgehe in deinem Leib wie ein Brot,

Auf dem roten Acker, mein ein und mein alles,

Im Regen, Liebste, und nicht unterm Dach,

Hier, wo wir singen, in den schäumenden Wiesen.



Vorstadt Gablenz


Elf Häuser stehn wie Kommas am Gedankenstrich der Straße,

Die zwischen Gaslaternen grätenschlank ins Grüne rankt.

Der Wind, mein Copilot, bespringt den Kragen, sägt die Nase,

Ein Fenster schießt mir Bratendüfte vor: Es sei gedankt

Für den Empfang und für die Blumen in der Wiesenvase.


Antennenkämme spalten kobaltblaues Himmel-Plexi

Zu Folien auf: der Himmel ist ein Funk- und Fernsehsieb.

Zwei Radios treiben Tanzmusik dahin: ein Marsch, ein Dixie.

Ich frage einen Grashalm, was von der Romantik blieb.