USTERI, Johann Martin



Freut Euch des Lebens


Weil noch das Lämpchen glüht,

Pflücket die Rose,

Eh’ sie verblüht!


So mancher schafft sich Sorg’ und Müh,

Sucht Dornen auf, und findet sie,

Und läßt das Veilchen unbemerkt,

Das ihm am Wege blüht.


Freut Euch des Lebens,

Weil noch das Lämpchen glüht,

Pflücket die Rose

Eh’ sie verblüht!

Wenn scheu die Schöpfung sich verhüllt,

Und lauter Donner ob uns brüllt,

So scheint am Abend, nach dem Sturm,

Die Sonne, ach! so schön!


Wer Neid und Mißgunst sorgsam flieht,

Genügsamkeit im Gärtchen zieht,

Dem schießt sie bald zum Bäumchen auf,

Das goldne Früchte bringt.


Wer Redlichkeit und Treue übt,

Und gern dem ärmern Bruder giebt,

Da siedelt sich Zufriedenheit

So gerne bei ihm an.


Und wenn der Pfad sich furchtbar engt,

Und Mißgeschick uns plagt und drängt,

So reicht die holde Freundschaft stets

Dem Redlichen die Hand.


Sie trocknet ihm die Thränen ab,

Und streut ihm Blumen bis in’s Grab;

Sie wandelt Nacht in Dämmerung,

Und Dämmerung in Licht.


Sie ist des Lebens schönstes Band,

Schlagt, Brüder, traulich Hand in Hand,

So wallt man froh, so wallt man leicht

In’s beßre Vaterland.


Freut Euch des Lebens,

Weil noch das Lämpchen glüht,

Pflücket die Rose

Eh’ sie verblüht![