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BROCKES, Barthold Heinrich


Kirschblüte bei der Nacht


Ich sahe mit betrachtendem Gemüte

Jüngst einen Kirschbaum, welcher blühte,

In kühler Nacht beim Mondenschein;

Ich glaubt',es könne nichts von größrer Weiße sein.

Es schien, ob wär ein Schnee gefallen.

Ein jeder, auch der kleinste Ast

Trug gleichsam eine rechte Last

von zierlich-weißen runden Ballen.

Es ist kein Schwan so weiß, da nämlich jedes Blatt,

Indem daselbst des Mondes sanftes Licht

Selbst durch die zarten Blätter bricht,

Sogar den Schatten weiß und sonder Schwärzer hat.

Unmöglich, dacht ich, kann auf Erden

Was Weißers aufgefunden werden.


Indem ich nun bald hin, bald her

Im Schatten dieses Baumes gehe,

Sah ich von ungefähr

Durch alle Blumen in die Höhe

Und ward noch einen weißern Schein,

Der tausendmal so weiß, der tausendmal so klar,

Fast halb darob erstaunt, gewahr.

Der Blüte Schnee schien schwarz zu sein

Bei diesem weißen Glanz. Es fiel mir ins Gesicht

Von einem hellen Stern ein weißes Licht,

Das mir recht in die Seele strahlte.

Wie sehr ich mich an Gott im Irdischen ergetzte,

Dacht ich, hat Er dennoch weit größere Schätze.

Die größte Schönheit dieser Erden

Kann mit dem himmlischen doch nicht verglichen werden.


Das Firmament

Als jüngst mein Auge sich in die saphirne Tiefe,

Die weder Grund, noch Strand, noch Ziel, noch End‘ umschränkt,

Ins unerforschte Meer des hohlen Luftraums senkt‘,

Und mein verschlungener Blick bald hie bald dahin liefe,

Doch immer tiefer sank, entsatzte sich mein Geist,

Es schwindelte mein Aug‘, es stockte meine Seele

Ob der unendlichen, unmäßig-tiefen Höhle,

Die, wohl mit Recht, ein Bild der Ewigkeiten heißt,

So nur aus Gott allein, ohn‘ End‘ und Anfang stammen.

Es schlug des Abgrunds Raum, wie eine dicke Flut

Des bodenlosen Meers auf sinkend Eisen tut,

In einem Augenblick auf meinem Geist zusammen.

Die ungeheure Gruft voll unsichtbarem Lichts,

Voll lichter Dunkelheit, ohn‘ Anfang, ohne Schranken,

Verschlang sogar die Welt, begrub selbst die Gedanken;

Mein ganzes Wesen ward ein Staub, ein Punkt, ein Nichts,

Und ich verlor mich selbst. Dies schlug mich plötzlich nieder;

Verzweiflung drohete der ganz verwirrten Brust:

Allein, o heilsams Nichts! glückseliger Verlust!

Allgegenwärt’ger Gott, in Dir fand ich mich wieder.



Die Welt ist allezeit schön


Im Frühling prangt die schöne Welt

In einem fast smaragdnen Schein.


Im Sommer glänzt das reife Feld

Und scheint dem Golde gleich zu sein.


Im Herbste sieht man, als Opalen,

Der Bäume bunte Blätter strahlen.


Im Winter schmückt ein Schein, wie Diamant

Und reines Silber, Flut und Land.


Ja kurz, wenn wir die Welt aufmerksam sehn,

Ist sie zu allen Zeiten schön.