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LASKER-SCHÜLER, Else


Die Verscheuchte


Es ist der Tag im Nebel völlig eingehüllt,

Entseelt begegnen alle Welten sich –

Kaum hingezeichnet wie auf einem Schattenbild.


Wie lange war kein Herz zu meinem mild …

Die Welt erkaltete, der Mensch verblich.

– Komm bete mit mir – denn Gott tröstet mich.


Wo weilt der Odem, der aus meinem Leben wich?

Ich streife heimatlos zusammen mit dem Wild

Durch bleiche Zeiten träumend – ja ich liebte dich …


Wo soll ich hin, wenn kalt der Nordsturm brüllt?

Die scheuen Tiere aus der Landschaft wagen sich

Und ich vor deine Tür, ein Bündel Wegerich.


Bald haben Tränen alle Himmel weggespült,

An deren Kelchen Dichter ihren Durst gestillt –

Auch du und ich.


Und deine Lippe, die der meinen glich,

Ist wie ein Pfeil nun blind auf mich gezielt –.


Weltende


Es ist ein Weinen in der Welt,

Als ob der liebe Gott gestorben wär,

Und der bleierne Schatten, der niederfällt

lastet grabesschwer.


Komm, wir wollen uns näher verbergen…

Das Leben liegt in aller Herzen

Wie in Särgen.


Du! wir wollen uns tief küssen…

Es pocht eine Sehnsucht an die Welt,

An der wir sterben müssen.


Versöhnung


Es wird ein großer Stern in meinen Schoß fallen ...

Wir wollen wachen die Nacht,

In den Sprachen beten,

Die wie Harfen eingeschnitten sind.


Wir wollen uns versöhnen die Nacht -

So viel Gott strömt über.


Kinder sind unsere Herzen,

Die möchten ruhen müdesüß.


Und unsere Lippen wollen sich küssen,

Was zagst du?


Grenzt nicht mein Herz an deins -

Immer färbt dein Blut meine Wangen rot.


Wir wollen uns versöhnen die Nacht,

Wenn wir uns herzen, sterben wir nicht.


Es wird ein großer Stern in meinen Schoß fallen.



Mein blaues Klavier


Ich habe zu Hause ein blaues Klavier

Und kenne doch keine Note.


Es steht im Dunkel der Kellertür,

Seitdem die Welt verrohte.


Es spielen Sternenhände vier

- Die Mondfrau sang im Boote -

Nun tanzen die Ratten im Geklirr.


Zerbrochen ist die Klaviatür .....

Ich beweine die blaue Tote.


Ach liebe Engel öffnet mir

- Ich aß vom bitteren Brote -

Mir lebend schon die Himmelstür -

Auch wider dem Verbote.



Ein Liebeslied


An ihn


Komm zu mir in der Nacht – wir schlafen eng verschlungen.

Müde bin ich sehr, vom Wachen einsam.

Ein fremder Vogel hat in dunkler Frühe schon gesungen,

Als noch mein Traum mit sich und mir gerungen.


Es öffnen Blumen sich vor allen Quellen

und färben sich mit deiner Augen Immortellen ...


Komm zu mir in der Nacht auf Siebensternenschuhen

In Liebe eingehüllt spät in mein Zelt.

Es steigen Monde aus verstaubten Himmelstruhen.


Wir wollen wie zwei seltene Tiere liebesruhen

Im hohen Rohre hinter dieser Welt.



Dir

Drum wein´ ich,

Dass bei Deinem Kuss

Ich so nichts empfinde

Und ins Leere versinken muss.

Tausend Abgründe

Sind nicht so tief,

Wie diese grosse Leere.

Ich sinne im engsten Dunkel der Nacht,

Wie ich Dir´s ganz leise sage,

Doch ich habe nicht den Mut.

Ich wollte, es käme der Südenwind,

Der Dir´s herüber trage,

Damit es nicht gar voll Kälte kläng´

Und er Dir´s warm in die Seele säng´

Kaum merklich durch Dein Blut.


(Kleines) Dir


Ich weiss

Ich weiß, daß ich bald sterben muß
Es leuchten doch alle Bäume
Nach langersehntem Julikuß –

Fahl werden meine Träume –
Nie dichtete ich einen trüberen Schluß
In den Büchern meiner Reime.

Eine Blume brichst du mir zum Gruß –
Ich liebte sie schon im Keime.
Doch ich weiß, daß ich bald sterben muß.

Mein Odem schwebt über Gottes Fluß –
Ich setze leise meinen Fuß
Auf den Pfad zum ewigen Heime.


Ein Lied

Hinter meinen Augen stehen Wasser,

Die muß ich alle weinen.

Immer möcht ich auffliegen,

Mit den Zugvögeln fort;

Bunt atmen mit den Winden

In der großem Luft.

O ich bin traurig . . .

Das Gesicht im Mond weiß es.

Drum ist viel samtne Andacht

Und nahender Frühmorgen um mich.

Als an deinen steinernen Herzen

Meine Flügel brachen,

Fielen die Amseln wie Trauerrosen

Hoch von blauen Gebüsch.

Alles verhaltene Gezwitscher

Will wieder jubeln,

Und ich möchte auffliegen


Orgie

Der Abend küsste geheimnisvoll

Die knospenden Oleander.

Wir spielten und bauten Tempel Apoll

Und taumelten sehnsuchtsvoll

Ineinander.

Und der Nachthimmel goss seinen schwarzen Duft

In die schwellenden Wellen der brütenden Luft,

Und Jahrhunderte sanken

Und reckten sich

Und reihten sich wieder golden empor

Zu sternenverschmiedeten Ranken.

Wir spielten mit dem glücklichsten Glück,

Mit den Früchten des Paradiesmai,

Und im wilden Gold Deines wirren Haars

Sang meine tiefe Sehnsucht

Geschrei,

Wie ein schwarzer Urwaldvogel.

Und junge Himmel fielen herab,

Unersehnbare, wildsüsse Düfte;

Wir rissen uns die Hüllen ab

Und schrieen!

Berauscht vom Most der Lüfte.

Ich knüpfte mich an Dein Leben an,

Bis dass es ganz in ihm zerrann,

Und immer wieder Gestalt nahm

Und immer wieder zerrann.

Und unsere Liebe jauchzte Gesang,

Zwei wilde Symphonieen!


Es kommt der Abend

Es kommt der Abend und ich tauche in die Sterne,

Dass ich den Weg zur Heimat im Gemüte nicht verlerne

Umflorte sich auch längst mein armes Land.

Es ruhen unsere Herzen liebverwandt,

Gepaart in einer Schale:

Weisse Mandelkerne –

Ich weiss, du hältst wie früher meine Hand

Verwunschen in der Ewigkeit der Ferne ...

Ach meine Seele rauschte, als dein Mund es mir gestand.


Abschied

Aber du kamst nie mit dem Abend –

ich saß im Sternenmantel.

Wenn es an mein Haus pochte,

war es mein eigenes Herz.

Das hängt nun an jedem Türpfosten,

auch an deiner Tür;

zwischen Farren verlöschende Feuerrose

im Braun der Guirlande.

Ich färbte dir den Himmel brombeer

mit meinem Herzblut.

Aber du kamst nie mit dem Abend –

Ich stand in goldenen Schuhen.


Sinnenrausch

Dein sünd`ger Mund ist meine Totengruft,...

Betäubend ist sein süsser Atemduft,

Denn meine Tugenden entschliefen.

Ich trinke sinnberauscht aus seiner Quelle

Und sinke willenlos in ihre Tiefen,

Verklärtes Blickes in die Hölle.

Mein heißer Leib erglüht in seinem Hauch,

Er zittert, wie ein junger Rosenstrauch,

Geküsst vom warmen Maienregen.

- Ich folge Dir ins wilde Land der Sünde

Und pflücke Feuerlilien auf den Wegen,

- Wenn ich die Heimat auch nicht wiederfinde


Phantasie


Ich schlummerte an einem Zauberbronnen

Die Nacht - und träumte einen stillen Traum -

Von Sternenglanz und Mondenblässe

Und silberhellem Wellenschaum.

Von dunkler Schönheit der Cypresse

Und von dem Glühen deiner Augensonnen.


Der Neumond kann sich nicht vom Morgen trennen -

Ich hör' ihn mit den jungen Faunen scherzen. -

Im Thale blühen heiße Purpurrosen

Und Lilien, andachtsvoll wie heil'ge Kerzen

Und sonnenfarbig, goldene Mimosen

Und Blüten, die wie meine Lippen brennen . . .