WEISSGLAS, Immanuel
Er
Wir heben Gräber in die Luft und siedeln
Mit Weib und Kind an dem gebotnen Ort.
Wir schaufeln fleißig, und die andern fiedeln,
Man schafft ein Grab und fährt im Tanzen fort.
Er will, daß über diese Därme dreister
Der Bogen strenge wie sein Antlitz streicht:
Spielt sanft vom Tod, er ist ein deutscher Meister,
Der durch die Lande als ein Nebel schleicht.
Und wenn die Dämmrung blutig quillt am Abend,
Öffn‘ ich nachzehrend den verbissnen Mund,
Ein Haus für alle in die Lüfte grabend:
Breit wie der Sarg, schmal wie die Todesstund.
Er spielt im Haus mit Schlangen, dräut und dichtet,
In Deutschland dämmert es wie Gretchens Haar.
Das Grab in Wolken wird nicht eng gerichtet:
Da weit der Tod ein deutscher Meister war.
Massengrabschrift
Wer lebte hier? Wer litt? Wer wird nach Jahren
Den Namen und die Herkunft treu bewahren?
Die eins gewesen, sind hier nicht geschieden,
Die ein Leid litten, ruhn in einem Frieden.
Und unser Sarg ist, Tod, dein Himmelsmaß:
Dies ganze weite Feld voll Wind und Gras.