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WIECHERT, Ernst


Es geht ein Pflüger übers Land

Es geht ein Pflüger übers Land,

der pflügt mit kühler Greisenhand

die Schönheit dieser Erden.

Und über Menschenplan — und Trug

führt schweigend er den Schicksalspflug,

vor dem zu Staub wir werden.


So pflügt er Haus und Hof und Gut

und Greis und Kind und Wein und Blut

mit seinen kühlen Händen.

Er hat uns lächelnd ausgesät

und hat uns lächelnd abgemäht

und wird uns lächelnd wenden.


Rings um ihn still die Wälder stehn,

rings um ihn still die Ströme gehn,

und goldne Sterne scheinen.

Wie haben wir doch zugebracht

wie ein Geschwätz bei Tag und Nacht

so Lachen wie Weinen.


Nun lassen Habe wir und Haus,

wir ziehen unsre Schuhe aus

und gehn mit nackten Füßen.

Wir säten Tod und säten Qual.

Auf unsren Stirnen brennt das Mal,

wir büßen, wir büßen.


Und nächtens pocht es leis ans Tor,

und tausend Kinder stehn davor

mit ihren Tränenkrügen.

Und weisen still ihr Totenhemd

und sehn uns schweigend an und fremd

mit schmerzversteinten Zügen.


O gib den Toten Salz und Korn

und daß des Mondes Silberhorn

um ihren Traum sich runde!

Und laß indessen Zug um Zug

uns leeren ihren Tränenkrug

bis zu dem bittren Grunde.

Und gib, daß ohne Bitterkeit

wir tragen unser Bettlerkleid

und deinem Wort uns fügen.

Und laß uns hinterm Pfluge gehn,

solang die Disteln vor uns stehn,

und pflügen und pflügen.


Und führe heut und für und für

durchs hohe Gras vor meiner Tür

die Füße aller Armen.

Und gib, daß es mir niemals fehlt

an dem, wonach ihr Herz sich quält:

ein bißchen Brot und viel Erbarmen



Ihr seid der Pfeil aus der silberne Wagen

Ihr seid der Pfeil auf meinem dunklen Bogen,

der Glocke Erz auf meinem stillen Turmen,

ihr seid der Bote weit vor meinem Heere,

ihr seid der Wald vor meinem nacht’ gen Sturmen.


Was ich noch frage, habt ihr schon gesprochen,

was ich noch suche, habt ihr schon gefunden,

was ich noche halte, habt ihr schon zerbrochen,

was ich noch binde, habt ihr schon entbunden.


In eurem Ohr braust das ‘Steh auf und wandle,’”

Jehovas Saule leuchtet eurem Wege,

indessen ich in der verlassnen Kammer

des Grabes Tucher still zusammenlege